Hardcover: 352 Seiten
Aimee lebt allein und kommt mit ihrem Studium nur mühsam voran. Doch dann sieht sie eines Tages im Fernsehen den Auftritt von Professor Schermerhorn und des Schimpansen Sam, die sich miteinander in Gebärdensprache unterhalten können. Als sie feststellt, dass Schermerhorn ausgerechnet an ihrer Uni lehrt und neue studentische Hilfskräfte für Sams Betreuung sucht, meldet sie sich sofort.
Was als Teilzeitjob geplant war wird schnell zu einer Beschäftigung rund um die Uhr und Aimee damit Teil einer ungewöhnlichen Art Familie. Doch auch wenn Sam wie ein Mensch erzogen wird neigt er zu gelegentlichen aggressiven Ausbrüchen. Deshalb werden Projekte wie seines meist nach einigen Jahren abgebrochen, wenn die Schimpansen zu groß und gefährlich geworden sind. Aimee weiß das und ist dennoch wild entschlossen, Sam niemals in einem Käfig enden zu lassen.
In den 1960er und 1970er Jahren erlebte die Forschung zum Spracherwerb bei Menschenaffen ihren Höhepunkt. In dieser Zeit spielt auch die Geschichte des fiktiven Schimpansen Sam, der auf einer Ranch lebt und der Forschungsgegenstand des Professors Guy Schermerhorn ist. Aimees Faszination für Sam und seine Gebärdensprache springt auch auf den Leser über und so lebt sie schon bald mit Sam und Guy auf der Ranch - als Pflegerin, Familienmitglied, Schimpansenmutter.
Aimee geht es von Anfang an vor allem darum, eine Beziehung zu Sam aufzubauen und zu verstehen, wie er denkt. An den Forschungsaktivitäten ist sie kaum beteiligt. Auch das Verhältnis von Guy zu Sam und von Aimee zu Guy wird intensiv beleuchtet. Dem Leser wird ein komplexes Beziehungsgeflecht offenbart, in der Liebe, Loyalität und die völlige Vermischung von Berufs- und Privatleben eine wichtige Rolle spielen. Aimee und Guy werden schließlich mit einem Dilemma konfrontiert, bei dem ihre Meinungen, was die richtige Entscheidung ist, auseinandergehen.
Nach jedem Kapitel aus der Sicht der Menschen folgt ein Kapitel aus der Sicht von Sam. Der allwissende Erzähler gibt Sams Erleben und Empfindungen wieder. Dabei unterscheidet er zwischen Eindrücken, die Sam nicht benennen kann und solchen, für die er ein Wort gelernt hat. Bis heute streiten Forscher über die Frage, wie gut Schimpansen wirklich sprechen lernen können und wie weit ihre Denkprozesse ausgereift sind. Als Autor wagt Boyle hier eine Prognose, die sich durchaus plausibel liest.
Die Geschichte erstreckt sich über mehrere Jahre und von Beginn an kennen die Beteiligten die verschiedenen Richtungen, in die sich das Projekt rund um Sam entwickeln kann. Bereits nach dem ersten Kapitel erfährt man als Leser außerdem, dass Sam sich in der Zukunft an einem Ort befindet, an dem er nicht sein möchte. Der Spannungsbogen ist gelungen und ich wurde von Handlungsverlauf immer wieder überrascht. T.C. Boyle legt mit „Sprich mit mir“ eine beeindruckende Geschichte vor, die mich emotional packte, gespannt mitfiebern ließ und nachdenklich stimmen konnte.