Rezension von Ingrid Eßer
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Der Roman „Der Fallmeister“ von Christoph Ransmayr ist eine
Dystopie in dessen Mittelpunkt das Wasser, eine essentielle Ressource unserer
Welt, steht. Die Geschichte wird von einem unbenannten Erzähler geschildert. Am
Beginn ist sein Unverständnis für eine folgenschwere Tat seines Vaters zu
spüren. „Eine kurze Geschichte vom Töten“ lautet der Untertitel des Buchs, der
auch darauf anspielt, dass durch eine Handlung des Vaters fünf Menschen
gestorben sind.
Der Vater war Fallmeister von Beruf.Seine Aufgabe war es, an
einer bestimmten Stelle am Weißen Fluss den Fahrzeugen über eine Bootsgasse die
gefahrlose Weiterfahrt zu ermöglichen. Durch seine Schuld kommt es zum Unglück,
ein Jahr später stellt er sich selbst an gleicher Stelle den Fluten und
verschwindet darin. Sein Sohn ist Hydrotechniker und arbeitet an großen
Baustellen im Ausland. Durch seine Schwester erfährt er von den Vorkommnissen.
Sobald ihm die Möglichkeit gegeben wird, sucht er den Weg in seine Heimat,
erschwert durch die Kämpfe um Wasser. Währenddessen schrumpft in Europa
zunehmend die Zahl der verbindenden Brücken, die Länder zerfallen wie früher in
kleinste Einheiten, die voller Stolz ihre Macht durch Statussymbole nach außen tragen.
Der Erzähler versucht auf seiner Reise nachzuvollziehen,
warum der Vater die Tat begangen hat. Dazu reichen seine Gedanken weit in die
Vergangenheit zurück, in der auch sein Vater gerne geschwelgt hat. Seine Mutter
und seine Schwester benennt er in seiner Schilderung gelegentlich beim
Vornamen, sein Vater bleibt wie er selbst namenlos. Dadurch können beide als
Platzhalter für ein Verhältnis zwischen Kind und Elternteil stehen, bei dem die
jüngere Generation nach Verständnis für die Handlungen der Älteren im Kontext
der jeweiligen Zeit sucht.
Christoph Ransmayr zeigt in seinem Roman, dass der Einzelne
nur ein Spielball im großen System der politischen Kräfte und dem Wandel der
Zeiten unterworfen ist. Wenn es darum geht, das Lebensnotwendigste zu
beschaffen, verdrängen die Massen die Lehren aus der Vergangenheit. Der Autor
entwickelt ein Szenario, in der die Welt in Scherben zerfällt und jede Scheibe
darin ihre eigenen Gesetze erlässt zum Wohl des Erhalts des für das Leben ihrer
Bürger Notwendigsten. Der Erzähler erinnert sich an das Leben der Familie im
Wasserstaub, ergründet die Beziehung seiner Eltern und deren Verhältnis zu
ihren Kindern und erforscht beunruhigend seine eigene Rolle in der Familie.
Vor dem Hintergrund zukünftiger bedrohlicher Gegebenheiten des
Kampfs von Staaten um nötige Ressourcen beschreibt Christoph Ransmayr in seinem
Roman „Der Fallmeister“ in eindringlicher Sprache die Suche eines Sohns nach
den Gründen und dem Verständnis für die tödliche Handlung seines Vaters und
später auch nach Rechtfertigung seines eigenen Tuns. Das ist nicht einfach
schnell zu lesen und nachzuvollziehen, aber beängstigend und tragisch.
Persönlich hat mich die Geschichte leider nicht besonders angesprochen, doch
ich bin mir sicher, dass der Roman Leser finden wird, die ihn gerne mögen.