Rezension von Ingrid Eßer
Der Roman „Der Postbote von Girifalco“ ist das Debüt des
Italieners Domenico Dara. Girifalco ist ein kleiner Ort in Kalabrien, wo der
Autor aufgewachsen ist. Seine Geschichte lässt er 1969 spielen, einer Zeit zu
der er noch nicht geboren war. Dennoch schafft er es, die damaligen
Lebensumstände authentisch zu beschreiben. Die Gegend ist karg, Arbeitsplätze
sind Mangelware. Einige Einheimische sind ausgewandert, bevorzugt in die
Schweiz, wohin auch regelmäßig Fernbusse verkehren.
Im Mittelpunkt steht, wie der Titel schon sagt, der Postbote
des Dorfs. Er ist mittleren Alters und alleinstehend. Auffällig sind seine
beiden Eigenarten: einerseits liest er den Briefverkehr des Orts und
andererseits verschriftlicht er alle Zufälle, die ihm begegnen, was sich im
Untertitel des Romans „Eine kurze Geschichte über den Zufall“ widerspiegelt. Jedoch
öffnet und liest er nicht nur die Briefe, sondern hat es sich zur Gewohnheit
gemacht, dass er auch hin und wieder in das Geschehen eingreift, denn er ist
sehr einfühlsam. Durch sein Verhalten möchte er Traurigkeit verhindern und
stattdessen den Bewohnern ein wenig Hoffnung geben, aber auch die Lügen der
Kommunalverwaltung aufdecken.
Immer mehr konnte ich im Laufe der Geschichte über den
Postboten erfahren, auch über seine unerfüllte Liebe. Wie in einem
Kriminalroman beginnt er, einen dubiosen Umstand aus der Vergangenheit
aufzugreifen und aufzuklären, wie es wirklich gewesen ist. Durch den gesamten
Roman zieht sich als roter Faden die Ansicht, die der Postbote durch einen
Lehrer erfahren und die sich immer wieder bewahrheitet hat, dass das Leben
ständigen Veränderungen unterworfen ist, die für einen inneren Ausgleich der
Umstände sorgen.
Dem Roman spürt man die Ortskenntnis des Autors an und dessen
Wissen um die Eigenarten der Bewohner, die er detailliert und mit Gefühl
darstellt. Dabei reichen seine Beschreibungen von liebkosend und mitfühlend
über sarkastisch und frivol bis hin zu einem raueren Tonfall. Einzig die
beibehaltenen italienischen Namen und Bezeichnungen sind hinderlich im
Lesefluss, verleihen der Schilderung aber auch entsprechende Authentizität. Der
Autor lässt seine Erzählung den Postboten umkreisen und ihn mit den Schicksalen
der Einheimischen spielen. Ich habe mich gerne von der Geschichte berühren
lassen und empfehle sie daher weiter.