Rezension von Ingrid Eßer
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In ihrem Roman „Adas Raum“ deckt Sharon Dodua Otoo nicht nur
sprachlich ein breites Spektrum ab, sondern reist auch zeitlich durch
Jahrhunderte. Hinter dem Namen Ada stehen viele Frauen, die Bekannteste unter
ihnen ist vermutlich die britische Mathematikerin Ada Lovelace. Die Autorin zieht
Verbindungen zwischen Personen und Dingen. Schleifen nennt sie die Übergänge
zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt. Die Covergestaltung passt
sich der erzählerischen Vielfalt farblich an und doch sind bei einem zweiten
Blick feine Linien zu erkennen die Einschnitte bilden so wie sie im realen
Leben vorkommen, auch bei den Frauen im Roman.
Zunächst sind es drei weibliche Figuren, deren Geschichte Sharon
Dodua Otoo in den Fokus stellt. Sie erfasst jeweils eine kurze Episode aus dem
Leben der Ada genannten Frauen. Am Ende des Mittelalters lebt Ada in Ghana,
wurde ihrem Stamm entrissen und als Sklavin in die Nähe der Goldküste gebracht,
wo sie die Ankunft der Portugiesen erlebt. Nach der bereits erwähnten
englischen Ada, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in London lebt
und einen Seitensprung vor ihrem Mann verbirgt, setzt die Autorin ihren Fokus
auf die Polin Ada, die als Prostituierte im KZ Mittelbau-Dora arbeiten muss. Im
Zeitgeschehen ist die schwangere Ada, die im hier und jetzt in Berlin nach
einer Wohnung sucht, die vierte Protagonistin des Romans.
Es sind nicht nur die aufgeführten Adas, die in der Ich-Form
aus ihrem Leben erzählen, es sind auch Dinge in ihrem Umfeld, denen eine
berichtende Aufgabe zukommt. Titelgebend ist beispielsweise ein Raum, der Ada
im Lagerbordell zur Verfügung steht. Es ist aber auch ein Reisigbesen, ein
Türklopfer und ein Reisepass, die die Erzählerrolle zwischenzeitlich
übernehmen, was die Geschichte durch die wechselnden Perspektiven nicht immer leicht
lesbar macht. Jeder Abschnitt fließt in den nächsten über und verknüpft die
verschiedenen Leben und Jahrhunderte.
Sharon Dodua Otoo zeigt wie flüchtig ein Leben ist, wie es
oft von außen her bestimmt wird. Unabhängig von Hautfarbe und
gesellschaftlichem Stand trägt jede der Adas einen Hang zur
Selbstverwirklichung in sich. Sie weist auf Rassismus sowie Vorurteile und
Klischees über Frauen hin und stellt Moment des Aufbegehrens von Frauen genauso
wie deren Machtlosigkeit innerhalb der Möglichkeiten dar, die jedem zur
Verfügung stehen. Keine der Adas ist allein, die Autorin stellt jeder eine
weibliche Person zur Seite, die zuhört und Ratschläge erteilt, aber auch die
gemeinsamen Meinungen in die Welt tragen kann.
Die Autorin Sharon Dodua Otoo zeigt in ihrer komplex
zusammengesetzten, mystisch angehauchten Geschichte „Adas Raum“ wie Frauen in
den letzten Jahrzehnten auf verschiedenen Kontinenten um einen würdigen Platz
in der Gesellschaft kämpfen und gekämpft haben. Aufgrund der Konstruktion auf
mehreren Ebenen erfordert der Roman zum Verständnis Geduld und belohnt den
Leser dann mit einer abwechslungsreichen, nachdenklich stimmenden Erzählung.