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rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
Der Roman „Stay away from Gretchen – eine unmögliche Liebe“
von Susanne Abel spielt auf zwei Zeitebenen. Im Mittelpunkt der Geschichte
steht Greta Monderath. Im Sommer 2015 ist sie 84 Jahre alt. Sie wird zunehmend
dement, aber in ihren klaren Momenten erzählt sie ihrem Sohn Tom erstmalig von
ihrer Kindheit und Jugend in Ostpreußen, die jäh mit Vertreibung zu Beginn des
Jahres 1945 endete. Das Ziel der Familie bei ihrer Flucht waren Verwandte in
Heidelberg, welches damals von der US-Armee eingenommen war. Der Titel nimmt Bezug
auf das Fraternisierungsverbot, das die militärische Führung der
US-Streitkräfte erlassen hatte. In diesem Rahmen sollen sich ihre Soldaten
selbstverständlich auch von den schamlosen deutschen Frauen fernhalten. Aber
nicht nur deswegen ist die Liebe von Greta zum GI Robert Cooper, eine
unmögliche Liebe, sondern auch weil er afroamerikanisch ist.
Tom Monderath ist ein bekannter Nachrichtenmoderator im
Fernsehen. Nach einigen Jahren im Ausland ist er in seine Heimat Köln
zurückgekehrt. Um seine Mutter hat er sich bisher kaum Sorgen gemacht, sie
wohnt allein in der elterlichen Wohnung und versorgt sich selbst. Nachdem sie
mit dem Auto einen unvorhergesehenen Ausflug gemacht hat, beginnt Tom zu ahnen,
dass Greta ihm über ihren Gesundheitszustand einiges vorgeflunkert hat. Sie
wird von bestimmten Dingen getriggert, die bei ihr Erinnerungen auslösen und sie
dazu veranlassen, ihrem Sohn von ihrer Vergangenheit zu erzählen. Durch Zufall entdeckt
Tom in einem Dokument seiner Mutter das Foto eines kleinen Mädchens mit dunkler
Haut. Aufgrund seiner guten Recherchefähigkeiten erfährt er bald mehr über die
Herkunft des Kinds und dessen Zusammenhang mit seiner Familie.
Durch den furiosen Start mit der Irrfahrt von Greta wurde
ich als Leser in die Geschichte hineingesogen. Mit Tom hat Susanne Abel eine
moderne interessante Figur geschaffen. Tom ist alleinstehend mit wechselnden
Partnerschaften. Er interviewt Politiker mit Rang und Namen und berichtet
täglich von den aktuellsten Ereignissen zu denen auch das Thema der syrischen
Flüchtlinge gehört. Zunächst wirkte er leicht hochnäsig und genervt auf mich.
Im Laufe der Erzählung wurde er mir, auch aufgrund seiner tatsächlichen Sorge
und sein Kümmern um seine Mutter sympathischer, auch weil ihm sein Bild in der
Öffentlichkeit zunehmend weniger wichtig wurde.
Die Autorin hat ein Händchen dafür, das Tun und Handeln
ihrer Charaktere authentisch abzubilden. Dabei lässt sie bei der Erkrankung von
Greta persönliche Erfahrungen einfließen. Sie verdeutlicht, dass Demenz das
Schwinden der Erinnerungen der betroffenen Person mit sich bringt aber auch für
die Angehörigen nicht mehr greifbar sein wird.
Susanne Abel zeigt mir einerseits mit dem Rassismus in der
US-Armee und andererseits mit dem Umgang der Deutschen mit sogenannten „Brown
Babys“ zwei Themen auf, die mir bisher von ihrer Bedeutung nicht bewusst waren.
Bestürzt verfolgte ich die Schilderungen, die realistisch im Beispiel die
tatsächlichen Begebenheiten wiedergeben. Es gelingt der Autorin, Fakten auch in
einem längeren Zusammenhang anregend einzubauen.
Mit dem Buch „Stay away from Gretchen“ hat Susanne Abel
einen ansprechenden, bewegenden Roman geschrieben, der eine Verbindung zwischen
der heutigen Flüchtlingskrise und den Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg
zieht. Mit der Rassentrennung innerhalb der US-Armee und dem Umgang mit
alleinerziehenden Frauen und ihren Babys, mit der besonderen Variante von
Kindern mit dunkler Hautfarbe, im Nachkriegsdeutschland bindet sie heute wenig kommunizierte,
aber wichtige Themen in ihre Geschichte ein. Mich hat die ergreifende Erzählung
sehr berührt und daher empfehle ich sie gerne uneingeschränkt weiter.