Rezension von Ingrid Eßer
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Ines Thorn nahm mich als Leserin in ihrem Roman „Die
Buchhändlerin“ mit in die Nachkriegszeit ins hessische Frankfurt. Das Buch ist
der erste Teil einer mehrbändigen Serie, bei der Christa Schwertfeger die
Protagonistin der Geschichte ist, der Titel nimmt Bezug auf sie. Als endlich
die US-Armee die Stadt am Main Ende März 1945 befreit, ist Christa 18 Jahre alt
und hat gerade ihr Notabitur bestanden. Sie träumt davon Literaturwissenschaft
zu studieren, aber ihr ist bewusst, dass ihre konservativ denkende Mutter sie
lieber wohlversorgt von einem Ehemann als Hausfrau und Mutter sehen würde. Ihr
Vater ist noch nicht aus seinem Kriegseinsatz zurückgekehrt, sein jüngerer
Bruder Martin führt die im Erdgeschoss des Mehrfamilienhauses in der Innenstadt
gelegene Buchhandlung in dritter Generation weiter.
Vier Jahren vorher hat Christa erlebt, dass Martin von der
Gestapo festgenommen und verurteilt wurde. Sie fühlt eine Mitschuld an diesem
Umstand. Die Buchhandlung wurde schließlich enteignet, die Konfiszierung jetzt
aber zurückgenommen. Christa nimmt sich der Arbeit in der Buchhandlung an, macht
ihren Job sehr gerne, aber dennoch möchte sie ihren Traum vom Studium nicht
aufgeben.
Ines Thorn greift in der Geschichte verschiedene Themen auf.
Ihre Figuren erleben Hunger und Kälte, Leid und Not, gewinnen aber auch
zunehmend an Lebensfreude. Viele Männer kehrten vom militärischen Einsatz nicht
wieder, Frauen engagierten sich im Beruf, aber die Ansicht, dass sie keine Ausbildung
benötigten, weil sie bald heiraten und Kinder bekommen würden, war verbreitet.
Christa ist eine selbstbewusste Frau, die nach Möglichkeiten sucht, den von ihr
gewünschten Weg zu gehen und Hindernisse beiseite zu räumen, auch wenn sie
gelegentlich mit ihrer Art und Weise aneckt. Jedoch muss sie aufgrund der
geltenden Verhaltensmuster und Konventionen auch mit einigen Rückschläge
zurechtkommen. Als Leserin begleitete ich Christa bis zum Jahr 1949.
Die Autorin zeigt anhand ihrer Figuren, wie vielfältig
Partnerschaften damals sein konnten und welche Schwierigkeiten es gab, die
Liebe frei zu leben. Eine Buchhandlung wird zum Handlungsort mancher wichtigen
Geschehnisse in diesem Roman. Man spürt das Wissen um und die Liebe zu den
Büchern, die die Autorin als gelernte Buchhändlerin in die Geschichte
einfließen lässt. Einen breiteren Raum gewährt sie dabei auch der Lyrik. Ines
Thorn kleidet das Unternehmen und Christas beruflichen Weg in die Geschichte
des Literaturbetriebs ein. Verlage nahmen nach dem Krieg ihre Tätigkeit wieder
auf und es gründeten sich neue; 1949 fand die erste Buchmesse statt. Autoren
und ihre Bücher, Filme und Musik vermitteln einen Eindruck der erwachenden
kulturellen Vielfalt.
Ines Thorn hat mit ihrem Roman „Die Buchhändlerin“ eine abwechslungsreich
gestaltete, unterhaltsame Erzählung geschrieben, die den Sound der Zeit nach
dem Krieg aufgreift und auf die Welt der Bücher fokussiert. Daneben bindet sie
weitere wichtige Themen ein, die die Menschen damals bewegten. Gerne vergebe
ich eine Leseempfehlung und freue mich auf die Fortsetzung, die in den 1950ern
spielen wird.