Rezension von Ingrid Eßer
Der Prolog in Christine Drews Roman „Freiflug“ beschreibt
den tödlichen Unfall der gerade erst 25 Jahre alten Rita Maiburg, der ersten
Linienflugkapitänin der Welt. Dieser Anfang sorgte für einen furiosen Auftakt
einer sehr bewegenden Erzählung, die auf wahren Begebenheiten in Bezug auf die
Pilotin und ihren gegen die Lufthansa geführten Prozess beruht. Die Autorin
flicht aber auch die interessante Geschichte der fiktiven Rechtsanwältin Katharina
Berner ein. Beide zeigen ihre Stärke in dem unbeirrten Weg den sie dafür gehen,
ihre Träume Wirklichkeit werden zu lassen.
Mit der finanziellen Unterstützung ihrer Eltern hat Rita
Maiburg Ende der 1960er Jahre ihre Privatpilotenlizenz erworben und suchte
danach, sich als Berufspilotin zu verwirklichen. Nach einer kurzen Anstellung
bei einem Frachtunternehmen in München bewirbt sich Rita 1974, inzwischen
einige Zeit arbeitslos, bei der Lufthansa als Flugzeugführerin. Doch ihre
Bewerbung wird abgelehnt, weil man grundsätzlich keine Frauen in diesem Job
einstellt. Rita strebt darauf hin einen Prozess an, weil sie findet, dass die
Absage nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Sie wendet sich an Katharina,
die sich gerade mit einer Rechtsanwaltskanzlei in Köln selbstständig gemacht
hat. Auch sie hat sich gegen manche Konvention der Zeit gestellt und
unterstützt Rita dabei, ihre Rechte einzuklagen.
Zwar hat Rita in der Realität die Klage tatsächlich eingereicht
und diese bildet auf die Möglichkeit, dass die beiden Protagonistinnen einander
begegnen, doch der Kampf der Frauen für verschiedene Rechte in den 1970er steht
in der Geschichte im Mittelpunkt. Sowohl im Leben von Katharina wie auch im
Privaten von Rita baut die Autorin beispielhaft einige für die Zeit typische
Themen ein und bedient so ebenfalls das eine oder andere Klischee.
Die Familien der Hauptfiguren sind gegensätzlich: Ritas
Eltern sind deutlich jünger als die von Katharina, die viel jünger ist als ihre
Geschwister. Obwohl Herr und Frau Maiburg Architekten sind, übt Ritas Mutter
ihren Beruf nicht mehr aus, sondern kümmert sich um Haushalt und Kinder, wie es
damals üblich war und dem Ehe- und Familienrecht entsprach, das aber 1977
endlich reformiert wurde. Genauso ist es bei den Berners, aber anders als bei
Katharinas betuchten Eltern haben Ritas stets ein offenes Ohr für die Sorgen
und Probleme ihrer Tochter. Demgegenüber wird in Katharinas Familie Vieles
verschwiegen, was aber einige Geheimnisse bietet, die im Laufe des Romans
gelüftet werden und zur Unterhaltung beiträgt.
Christine Drews schreibt in ihrer Erzählung auch über den
Umgang mit Drogen und Drogensüchtigen sowie über die Bedeutung des Ansehens von
Unternehmen in der Öffentlichkeit und der Wahrnehmung von Ereignissen durch
Medien in den 1970ern. Die Handlung spielt in Köln, der Stadt in der die
Autorin heute lebt. Gekonnt fügt sie in ihren Roman einiges an Lokalkolorit und
auch kulturelle Details der damaligen Zeit ein. Aufgrund von kleinen
Cliffhangern am Ende der Abschnitte, die zwischen den Protagonistinnen ständig
wechseln, entsteht eine durchgehend hintergründig vorhandene Spannung, die den
Lesefluss antreibt.
In ihrem Roman „Freiflug“ schreibt Christine Drews über zwei
starke Frauen in der Verbindung einer realen mit einer fiktiven Figur, die
beide für die Gleichberechtigung in den 1970er Jahren kämpfen. Aufgrund einiger
Nebenhandlungen mit manchem verborgenen Detail ist die Geschichte
abwechslungsreich und kurzweilig. Ebenso stimmt die Erzählung nachdenklich über
das bis heute erreichte in Sachen der Emanzipation und der Dinge, die nach
anzugehen sind. Gerne empfehle ich das Buch daher uneingeschränkt weiter.