Titel: Das Buch des Totengräbers - Ein Fall für Leopold von Herzfeldt
Autor: Oliver Pötzsch
Erscheinungsdatum: 31.05.2021
Verlag: Ullstein (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Broschur mit gestalteten Klappen
ISBN 9783864931666
Der Kriminalroman „Das Buch des Totengräbers“ nahm mich als
Leserin mit in das Jahr 1893. Die beiden Protagonistin Leopold von Herzfeldt,
neuer Polizeiagent am Wiener Sicherheitsbüro für Blutverbrechen und vor kurzem
noch Untersuchungsrichter in Graz sowie August Rothmayer, seit zwanzig Jahren Totengräber
auf dem Wiener Zentralfriedhof, werden von Oliver Pötzsch zu Ermittlungen von
einigen Mordfällen eingesetzt. Zu Beginn ahnen sie noch nicht, wie wichtig ihre
Zusammenarbeit sein wird. Der Titel des Krimis nimmt Bezug auf den Almanach,
den Rothmayer zurzeit verfasst, in dem er seine Erkenntnisse aus langjähriger
Tätigkeit rund ums Sterben und den Tod festhält. Auszüge aus diesen fiktiven
Aufzeichnungen, die einen guten Überblick über den Stand des Beerdigungswesens
zur damaligen Zeit geben, finden sich am Anfang einiger Kapitel.
Noch vor seinem offiziellen Dienstantritt im Wiener
Polizeiagenteninstitut fährt Herzfeldt an einen aktuellen Tatort im Prater.
Dort wurde eine junge Frau brutal ermordet. Mit im Gepäck hat er seine
Ausrüstung zur Beweisaufnahme, die modernste Geräte beinhaltet und auf dem
aktuellen Stand ist. Seine Kollegen sehen sein Handeln mit Skepsis, von seinem
Vorgesetzten bekommt er dafür einen Verweis. Als nächstes wird er auf den Fall
eines Selbstmörders angesetzt, den man nach seinem Begräbnis wieder versucht
hat auszugraben. Sein Weg führt ihn hierbei auf den Wiener Zentralfriedhof zu
Rothmayer.
Nachdem Oliver Pötzsch Herzfeldt gleich anfangs zu einem
grausigen Mord führte, nahm er dessen frischen Elan bei den nächsten Schritten
zurück, um dann durch die Aussagen von Rothmayer Skepsis zu wecken und sein
Feuer für die Gerechtigkeit neu zu wecken. Als Leserin ahnte ich schon durch
den Prolog, dass hier etwas nicht stimmte, was mich natürlich neugierig machte.
Herzfeldt werden bei seinen Ermittlungen noch einige Steine in den Weg gelegt.
Auch er selbst merkt, dass er sabotiert wird. Geschickt streut der Autor
verschiedene Hinweise aus, die nicht immer auf die richtige Fährte führen und
dadurch die Spannung erhöhen.
Seine Protagonisten schafft Oliver Pötzsch mehrdimensional.
Herzfeldt ist gut ausgebildet, wirkt aber arrogant dadurch, dass er
besserwisserisch daherkommt. Er begegnet in Wien einer Welle von
Antisemitismus. Dennoch steht er zu seinen jüdischen Vorfahren. Rothmayer ist
in seiner Arbeitskleidung eine muffelige dunkle Gestalt, die ansonsten zwar
brummig und manchmal schroff aber auch hilfsbereit ist sowie mit einer
gehörigen Portion Ironie versehen, die er nicht nur selbst in Bezug auf seinen Beruf
„Galgenhumor“ nennt. Figurenmäßig erhält auch Julia Wolf, eine Telefonistin der
Polizeiagentur, im Laufe der Zeit größere Bedeutung, auch dadurch, dass sie
sich mit Herzfeldt enger befreundet. Ihnen allen ist eigen, dass sie ein Geheimnis
aus ihrer Vergangenheit bergen, das zum Ende des Buchs hin jeweils aufgedeckt
wird.
Der Autor scheut vor den Verdächtigungen bedeutender
historischer Personen, die in Wien damals ansässig waren, nicht zurück, was für
die Ermittlungen prekär ist, aber dem Krimi Würze verleiht, denn ich fragte
mich unwillkürlich, inwieweit hier historische Daten sprechen oder die Fantasie
mitspielt. Dank sehr guter Recherche erfuhr ich zudem Vieles zum Stand der
Kriminalistik, in der zur Zeit der Handlung die Technik Einzug hielt. Die
Klappen des Buchs sind gestaltet, auf der vorderen findet sich eine Übersicht von
Wien im Jahr 1893, auf der hinteren Klappe ist ein interessantes Interview mit
dem Autor zu lesen.
„Das Buch des Totengräbers“ ist ein Kriminalroman, in dem
Oliver Pötzsch ein realistisch wirkendes, meist dunkles Szenario in der
Hauptstadt des Kaisertums Österreich in den 1890ern als Hintergrund für die
Aufklärung einige Kapitalverbrechen schafft. Er ist durchgehend spannend durch
abwechslungsreich gestaltete Figuren und mehrfach ausgestreuten Spuren zu
grausig beschriebenen Verbrechen. Gerne empfehle ich das Buch an die Liebhaber
und Liebhaberinnen historischer Krimis weiter.