Rezension von Ingrid Eßer
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Im Roman „Die Nachricht“ stellt Doris Knecht das Thema des
digitalen Stalkings in den Vordergrund. Ihre Protagonistin ist die Journalistin
Ruth, die schon viele Hürden in ihrem Leben gemeistert hat. Drei Jahre sind seit
dem Unfalltod von Ruths Ehemanns Ludwig vergangen. Manchmal lebt sie in Wien,
meist aber in einem Haus auf dem Land, hält sich vom gesellschaftlichen Leben fern
und kümmert sich neben dem Schreiben um ihre Familie.
Ruths Stieftochter erwartet gerade ein Kind, ohne den Namen
des Vaters preiszugeben. Ihr 15 Jahre alter Sohn lebt noch bei ihr, der ältere
ist bereits zum Studium ausgezogen. Meine erste Begegnung mit ihr im Roman findet
in einer beschaulichen Szenerie statt. Sie lässt mit einem guten Freund bei
einem Glas Wein und einer Zigarette, den Laptop auf den Knien, den Tag auf
einer Bank hinter dem Landhaus ausklingen. In dieser friedlichen Atmosphäre
erscheint eine Nachricht auf ihrem offiziellen facebook-Account. Die Mitteilung
besteht nur aus einer Frage mit Bezug auf die Affäre ihres verstorbenen Manns,
sie wird ihr Leben verändern, aber das ahnt sie zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Die Nachricht bereitet Ruth zunächst wenige Gedanken, denn
die Affäre ist ihr bekannt. Der Account des Absenders wurde gelöscht, für Ruth
ist das Vorgehen von Internettrollen nicht neu. Sie weiß, dass sie nach außen
hin selbständig und belastbar wirkt. Ihr ist bewusst, dass es Personen gibt,
die ihr das neiden und durch solche Mitteilungen Risse in ihr Ansehen reißen
wollen. Doch dann kommen weitere beleidigende Nachrichten, die auch ein paar
Freunde von ihr erhalten. Ihr ist es nicht mehr möglich, die Gedanken daran
wegzuschieben, denn durch den Einbezug weiterer Empfänger wird ihr Problem
öffentlich.
Die Autorin entwickelt charakterlich eine Protagonistin,
deren Stärke unwillentlich unterlaufen wird. Sie schildert detailliert die
gedankliche Auseinandersetzung von Ruth, die ich sehr gut nachvollziehen
konnte. Ruth versucht zu ergründen, warum die Nachricht es letztlich schafft,
sie auf eine ihr unbekannte Art zu erreichen und von ihr auf diese Weise
Verhaltensänderungen verlangt. Dabei spielt vor allem ein Aspekt in ihren
Überlegungen eine Rolle, über den sie sich schon lange ärgert und der mit ihrem
Status als alleinstehende Frau zusammenhängt.
Die Geschichte ist fesselnd, denn Ruth versucht den
Schreiber der Nachrichten zu finden. Bald hat sie einen Verdacht und als
Leserin wurde ich in einen Sog gezogen, denn ich wollte unbedingt wissen, ob er
sich bestätigt. Doris Knecht beschreibt ein realistisch mögliches Vorgehen im
Umgang mit dem Erhalt von anonymen Mitteilungen, die voller Hass sind, und
zeigt wie diese unser Leben verändern können, wenn unser Vertrauen Brüche bekommt.
In ihrem Roman „Die Nachricht“ schafft Doris Knecht ein
mitreißendes Szenario um ihre Hauptfigur Ruth, die von beleidigenden
Nachrichten in den Sozialen Medien einer ihr unbekannten Person angegriffen und
in ihren Gefühlen zunehmend verletzt wird. Gerne empfehle ich dieses berührende
und bewegende Buch, das zum Nachdenken anregt, weiter.