Der Roman „Heldinnen werden wir dennoch sein“ von Christiane
Wünsche nahm mich mit an den Niederrhein. Susi, Ellie, Ute und Helma sind seit 1974,
als sie in die
5. Klasse an einem Gymnasium in Kaarst eingeschult wurden, befreundet. Auch
Marie gehörte zu ihrem Kreis, ist aber inzwischen verstorben. Jede der
Freundinnen hatte schon damals ihre eigenen Sorgen, was unter anderem an den
Eltern lag.
Wenn es zu Problemen mit Mitschülern kam, stand jeder von
ihnen Frank zur Seite, der eine gefestigte Position in ihrem Klassengefüge
hatte. Obwohl er immer mit den fünf Mädchen befreundet war, hat er in der
Teeniezeit nie versucht eine Liebesbeziehung aufzubauen. Schließlich begreift
sein Umfeld, dass er schwul ist. Die Freundinnen erfahren viele Jahre später
während einer Geburtstagsfeier von Franks Freitod in Berlin. Die Gedanken der
Frauen kehren zurück zu einem bestimmten Abend im Herbst 1984, der ihre
Freundschaft nachhaltig verändert hat.
Die Autorin erzählt ihre Geschichte über mehrere Zeitebenen
hinweg. Der Fokus wechselt zwischen den Kapiteln von einer Freundin zur
anderen, wobei jedes Kapitel zur Orientierung mit dem jeweiligen Namen
überschrieben ist. Die Rückblenden sind an geeigneten Stellen in den Text
eingegliedert. Recht schnell wurde mir bewusst, dass der Prolog und weitere
kursiv gesetzte Einstreuungen von Frank in der Ich-Form erzählt werden, dessen
Gefühlswelt mir aufgrund der gewählten Darstellung verständlicher wurde. In der
vorderen Klappe sind die Hauptcharaktere mit einer kurzen Selbstbeschreibung
aufgeführt. Dadurch behielt ich den Überblick, denn im Laufe der Geschichte
gesellen sich noch etliche Nebenfiguren hinzu.
Die Freundinnen sind schon über viele Höhen und Tiefen in
ihrem Leben gegangen. Seit Lisa, die Tochter von Marie, erwachsen ist, wird sie
in diesen Kreis mit einbezogen. Überrascht nehmen Susi, Ellie, Ute und Helma
nach Franks Tod Kenntnis davon, dass Lisa noch Kontakt zu ihm hatte. Die
Erinnerungen der Frauen, die inzwischen Anfang Fünfzig sind, gehen zurück in
ihre Jugend zu vielen problematischen Themen, sei es die schwere Erkrankung
oder der Alkoholismus eines Elternteils, hohe Anforderungen der Eltern,
Kriegstrauma, Drogenkonsum und Selbstverwirklichung.
Christiane Wünsche ist gleichalt mit ihren Figuren und in
Kaarst aufgewachsen, so dass ihr dadurch eine realistische Darstellung des damaligen
Umfelds gelingt. Jede der Frauen ist bis in die Gegenwart eine stille Heldin
für die anderen Freundinnen, weil sie für diese Anlaufstation für eine
Aussprache sein kann und dennoch erfährt man, dass die Frauen über eine
wichtige Situation ihrer Jugend das Mäntelchen des Schweigens all die Jahre
hinweg gedeckt haben. Die Freundschaft wirkte auf mich nicht besonders innig.
Susi, Ellie, Ute und Helma verhalten sich so wie viele andere, die man kennt,
mal gedankenlos in ihren Äußerungen, manchmal arglos, selbstsüchtig oder zickig.
Jede der Freundinnen hat ihr Päckchen zu tragen, hier und da
blitzt auf, dass sie auch viele schöne Erinnerungen an gemeinsame Zeiten haben,
doch diese gab es meiner Meinung nach im Roman zu wenig, ich hätte lieber noch
häufiger mit ihnen gelacht. Auch in der Jetztzeit hat jede der Freundinnen
nicht nur den Tod von Frank zu verkraften, sondern kämpft mit der eigenen
Gesundheit, mit der Ehebeziehung oder sorgt sich um Familienmitglieder. Doch
trotz diverser Meinungsverschiedenheiten hat die Freundschaft der Frauen weiter
Bestand.
„Heldinnen werden wir dennoch sein“ von Christiane Wünsche
ist ein schicksalhafter Roman, eine Geschichte über Freundschaft, Vergebung und
Vertrauen. Mich brachte sie dazu, mich an meine eigene Jugend zu erinnern und
darüber nachzudenken, was eine Freundschaft ausmacht. Gerne vergebe ich eine
Leseempfehlung.