Rezension von Ingrid Eßer
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Sabine Hofmanns Roman „Trümmerland“ spielt in Bochum im
Frühjahr 1946. Noch sind die Trümmerberge der zerbombten Häuser überall zu sehen.
Zwischen den Trümmern wird geplündert und alles mitgenommen, was irgendwie
brauchbar erscheint, obwohl es inzwischen verboten ist.
Hella Schrader ist 12 Jahre alt. Sie wohnt gemeinsam mit
ihrer Mutter Martha und der aus Ostpreussen stammenden Edith Marheinecke, die seit
einem Jahr bei ihnen einquartiert wurde, in einer kleinen Wohnung unweit des
Zechengeländes. Am Nachmittag klettert sie gerne in den Trümmern und findet
hier und dort auch immer wieder ein nützliches Teil. Auf diese Weise möchte sie
den Haushalt unterstützen, in dem es an Essbarem, Kleidung, Heizmaterial und
Haushaltsgegenständen fehlt.
Eines Tages sieht sie am Boden eines Bombentrichters einen
Mann mit verrecktem Bein liegen. Sie überwindet ihre Angst und klettert zu ihm.
Doch er stirbt als sie ihn erreicht hat. Sie nimmt seinen Kurzmantel aus feinem
Wollstoff mit nach Hause. Im Futter finden sich Lebensmittelscheine für Butter.
Nach Abwägen des Für und Wider entschließen Martha und Edith, dass sie die
Scheine einlösen werden, ohne zu ahnen, welche Auswirkungen das haben wird.
Die Autorin schafft in ihrer Geschichte ein vorstellbares
Szenario der Nachkriegszeit. Das Überleben steht im Alltag der Bochumer im
Vordergrund, der Schwarzmarkt blüht und dennoch sind die meisten froh darüber,
überlebt zu haben. Weil viele Männer noch vermisst werden, arbeiten die Mütter
für den Lebensunterhalt, die Kinder sind sich außerhalb der Schule notgedrungen
selbst überlassen. Martha hat ein schlechtes Gewissen, Hellas Funde anzunehmen,
weil sie ihr verboten hat, in den Trümmern zu plündern. Sie weiß, dass sie den
Mantel nicht behalten durften und daher liegt von Beginn des Romans die Furcht
vor Entdeckung und der daraus resultierenden Strafe über dem Verhalten der Mitglieder
der Haushaltsgemeinschaft, die deutlich spürbar ist.
Die Erzählung zeigt ebenfalls ein Bild der damaligen
Polizeiarbeit. Für die Briten, die Bochum in der Nachkriegszeit besetzt hatten,
war es nicht einfach, auf jedem einflussreichen Posten jemanden zu setzen, der keinem
nationalsozialistischen Gedankengut anhängt. Die Not bietet Kleinkriminellen
mit ihren illegalen Geschäften ein gutes Pflaster. Auch aufgrund der
allgemeinen Ausstattung der Kriminalpolizei ist die Nachverfolgung von
Straftaten schwierig.
Dank der guten Recherche von Sabine Hofmann bildet sich ein
kompaktes gelungenes Bild des Alltags. Das Tempo, in dem die Kriminalhandlung
sich entwickelt ist gemächlich, die Spannung eher unterschwellig. In vielen Nebenhandlungen erfuhr ich detailliert
einiges über die Zusammenhänge von Schiebung, Schwarzhandel, Fälschungen und der
Sorge, die die Menschen dazu veranlasste, sich trotz drohender Bestrafung auf
ungesetzlichem Weg Notwendiges zu besorgen. Die Figuren durchleben dabei
riskante Situationen, aber auch an ihrer Freude über und an kleinen Dingen
durfte ich als Leser teilhaben.
„Trümmerland“ von Sabine Hofmann ist ein Roman mit kriminellen
Handlungen. Er bildet die Zeit des Nachkriegsdeutschlands in einer Stadt des
Ruhrgebiets überzeugend und nachvollziehbar mit authentischen Figuren ab. Gerne
empfehle ich das Buch weiter an Leser und Leserinnen historischer Romane.