Die Leuchtturmwärter Arthur, Bill und Vince und ihre
Lebensgefährtinnen sind die Protagonisten im nach ihrem Beruf benannten Roman
von Emma Stonex. Hohe Wellen umtoben den auf dem Cover abgebildeten Leuchtturm,
hohe Wellen im übertragenen Sinne schlägt auch das unerwartete spurlose
Verschwinden der Wärter. Die Autorin wurde zu ihrer Erzählung von einer wahren
Geschichte inspiriert.
Ein Leuchtturm wird immer von drei gleichzeitig anwesenden
Wärtern bedient. Im Winter 1972 ist das der Oberwärter Arthur, der schon viele
Jahre im Dienst ist, der erfahrene Bill sowie Vince, der erst seit Kurzem dem
Beruf nachgeht. Am Silvestertag wird der Turm von Mitarbeitern der
Betreibergesellschaft angesteuert, doch sie finden den Turm ohne Wärter vor,
die Zugangstür ist verschlossen, der Tisch für zwei Personen gedeckt und zwei
Uhren sind zur gleichen Zeit stehen geblieben. Im letzten Logbucheintrag ist
von einem Sturm zu lesen, doch zu Silvester war es windstill. Die Frage, was
geschehen ist, verlangt nach einer Klärung.
Die Autorin erzählt auf zwei Handlungsebenen. Einerseits
schaut sie auf die drei Männer bei ihrer Arbeit im Leuchtturm in den Tagen und
Wochen vor dem Verschwinden. Andererseits nimmt sie die drei Lebenspartnerinnen
der Wärter zwanzig Jahre später in den Fokus, denn ein Journalist greift die
Geschichte erneut auf und möchte dabei Licht ins Dunkel des ungeklärten Falls
bringen. Schrittweise blickt Emma Stonex auf Szenen im Leben jeder einzelnen
Figur und deckt dabei deren kleine Geheimnisse auf, so dass sich für den Leser
und die Leserin schrittweise ein Bild der Charaktere ergibt, geprägt durch die
von den jeweils Handelnden erzählten Passagen und den Aussagen Dritter. Unterschwellig
ist stets eine gewisse Spannung vorhanden.
Emma Stonex wechselt häufig die Perspektive, wobei es immer
klar bleibt, wer gerade im Mittelpunkt steht. Teile lässt schreibt sie in der
Ich-Form, andere übernimmt sie als allwissender Erzähler, ergänzt um fiktive Berichte.
Im Laufe der Geschichte bietet sie verschiedene Erklärungen für das
Verschwinden an, mal rational gedacht, aber auch mystisch. Als Leserin erhielt
ich ein immer tieferes Verständnis für die Handlung, ohne dass sie mir je
wirklich greifbar wurde, sondern immer mehr zum Nachdenken brachte über die
Frage, was Wahrheit und was Lüge ist.
Das Setting schafft eine eigenwillige Stimmung durch das
schicksalergebene Warten der Angehörigen auf die Rückkehr der Wärter in einer
eigens für sie geschaffenen Kolonie mit Blick auf den Turm und das angespannte
Miteinander der Hüter des Leuchtturms umgeben von der unberechenbaren Kraft des
Meers. Sie sind aufeinander angewiesen, ihr Wechsel und ihre Versorgung sind
vom Wetter abhängig. Unterdessen führen ihre Frauen ihr Leben zwar in eigenen
Wohnungen, die aber nah zueinander liegen, in einem Umfeld, dass ihnen wenig
Freizeitaktivität bietet. Das beruflich erworbene Ansehen der Männer ist auch
in ihrem Verhältnis untereinander zu spüren, sowie einige Rivalitäten.
Mit ihrem Roman „Die Leuchtturmwärter“ hat Emma Stonex mir
Einblicke in den gleichlautenden Beruf verschafft, der heute allerdings meist
durch entsprechende Technik im Turm ersetzt wird. Basierend auf einer wahren
Begebenheit, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts geschehen ist, bietet sie in
ihrer Erzählung mögliche Erklärungen für das spurlose Verschwinden der drei
Wärter vom Turm, die genügend offene Enden für eigene Überlegungen lassen. Den
besonderen Lesegenuss bringt die Kombination aus den Fakten, die das Leben
eines Wärters des Leuchtfeuers mit sich bringt und den fiktiven Gedanken und Gefühlen
ihrer Figuren, in die Emma Stonex tief eindringt und sie dem und der Lesenden vermittelt.
Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung dafür.