Titel: Junge mit schwarzem Hahn
Autorin: Stefanie vor Schulte
Erscheinungsdatum: 25.08.2021
Verlag: Diogenes (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Leseexemplar als Taschenbuch
ISBN: 9783257804379
Der Roman „Junge mit schwarzem Hahn“ ist das Debüt von
Stefanie vor Schulte. Sie entführte mich als Leserin damit in eine dunkle Zeit
mit mittelalterlichem Charakter. In eine raue Welt voller Misstrauen, Hass,
Gewalt und Ungerechtigkeit setzt sie ihren Protagonisten, den elfjährigen
Martin, ein vom Gemüt her freundliches und aufgeschlossenes Kind. Er ist die
titelgebende Figur, der Junge mit dem schwarzen Hahn. Dem Titel entsprechend
ist immer ein Hahn an seiner Seite oder genauer gesagt, meist unter seinem
verdreckten Hemd versteckt.
Am Rand des kleinen Dorfs lebt Martin für sich allein. Sein
Vater hat vor langer Zeit seine Familie mit dem Beil erschlagen, nur er hat
unbeschadet überlebt. Den Dorfbewohnern bietet er kleine Dienstleistungen an und
wird meist mit etwas Essen dafür belohnt, ohne dass er darum betteln muss. Ein
Maler, der zu einem Auftrag ins Dorf kommt, erkennt die Besonderheit des
Jungen, die darin besteht, dass er über eine sehr gute Beobachtungsgabe verfügt
und Zusammenhänge schnell erkennen kann. Inzwischen wurde Martin Zeuge, wie ein
Reiter die junge Tochter einer Bekannten bei einem Gang zum Markt entführt.
Weil er überzeugt ist, dass er im Ort keine lebenswerte
Zukunft haben wird, kommt es ihm gelegen, den Maler auf seinem weiteren Weg nach
Beendigung dessen Auftrags zu begleiten. Und ganz nebenher schafft er es auch
sich seine eigenen Herzensangelegenheiten zu erfüllen, die unter anderem darin
bestehen, das Rätsel der Kindesentführung zu lösen und den Grund für das
Massaker in seiner Familie zu finden. Seine Wünsche bilden den roten Faden in
der Geschichte.
Martin spiegelt das Gute im Menschen wider und bringt einen
Lichtblick in eine düstere Welt. Stefanie von Schulte beschreibt das Dorf und
seine Bewohner als arm und dadurch um ihr eigenes tägliches Wohl besorgt,
angepasst, schicksalsergeben, aber auch eitel, gemein und ausbeuterisch.
Daneben strahlt der Junge Besonnenheit, Mut und Wärme aus. Obwohl er schon
Entsetzliches erleben musste, schaut er nach vorn und verzweifelt nicht. Durch
seine Eigenschaften ragt er aus der Gesellschaft hervor und wird durch seine
Andersartigkeit an den Rand gedrängt. Das Einflechten von mystischen Elementen
gibt dem Roman etwas Fabelhaftes. Die Rolle des Hahns in Bezug zu Martin ist
den Einwohnern des Orts suspekt. Doch für Martin ist er die Verknüpfung zu
seiner Vergangenheit und an heitere Kindertage. Er bietet ihm Wärme und
Geborgenheit und führt ihn auf seine Weise auf dem für ihn vorgesehenen Weg,
ihm vertraut er blind.
Stefanie von Schulte schreibt in ihrem Roman „Junge mit
schwarzem Hahn“ auf den Punkt und macht mit Eindringlichkeit klar, dass sich in
einer solch dunklen Umgebung Hoffnung entwickeln kann entgegen der auf den
Gegebenheiten beruhenden Vermutungen. Für mich ist die Geschichte ein überraschend
reifes Debüt und daher empfehle ich das Buch gerne weiter.