Der Roman „Wildtriebe“ von Ute Mank gibt Einblicke in das
Leben auf dem Land über mehrere Generationen hinweg. Dabei stehen drei Frauen
im Fokus. Im Vergleich verhält sich deren Leben wie Wildtriebe, ihre Wege
führen sie trotz bestehender Werte und Konventionen in eine andere als die von
ihren Angehörigen vorgesehene Richtung. Das Cover nahm mich optisch mit in die Natur,
die im Buch eine tragende Rolle spielt, denn sie lässt alles Wachsen und
Gedeihen und bildet die Erwerbsgrundlage in der Landwirtschaft.
Die Geschichte spielt etwa um die Wende vom 20. ins 21.
Jahrhundert. Lisbeth, inzwischen etwa Mitte 70, hat den in einem kleinen
hessischen Dorf gelegenen elterlichen Hof übernommen, nachdem ihre beiden
Brüder im Zweiten Weltkrieg gefallen waren. Kurze Zeit nach dem Tod ihrer
Geschwister hat sie ihre Mutter verloren. Ihr einziges Kind, ihr Sohn Konrad
hat zu Beginn der 1970er Jahre seine langjährige Freundin Marlies geheiratet,
die in einem Kaufhaus in der Stadt arbeitet. Die beiden haben eine Tochter Joanna.
Zu Beginn des Romans begibt die 19-jährige Joanna sich nach ihrem Abitur auf
große Fahrt, um ein Jahr Freiwilligenarbeit in Afrika zu leisten. Schon auf den
ersten Seiten ist zu erfahren, dass Konrad inzwischen nur noch im Nebenerwerb
Landwirt ist.
Ute Mank blickt auf das bewegte Leben der Frauen, vor allem
aber auf das von Lisbeth und Marlies und ihr Verhältnis zueinander. Lisbeth hat
schon früh gelernt, eigene Entscheidungen zu treffen, immer zum Wohl des Hofs
und seiner Bediensteten. Sie war immer diejenige, die das Sagen hatte. Es ist
schwierig für sie nun mir ihrer Schwiegertochter eine Berufsfremde im Haus zu
haben. Wie es damals üblich war, hat Marlies ihre Arbeitsstelle nach der Heirat
aufgegeben. Marlies wurde der Weg aufs Gymnasium von ihren Eltern untersagt,
stattdessen wurde sie auf Ehe und Haushalt vorbereitet. Sie hat gelernt, den
Entscheidungen ihrer Eltern nicht zu widersprechen. Lisbeth begegnet sie mit
Respekt, aber es ist und bleibt zu viel Schweigen in ihrer Beziehung, um
Vertrauen aufzubauen. In ihrer Rolle als Bäuerin ist sie nie richtig
angekommen, ihre beruflichen Erfolge werden von ihrem familiären Umfeld nicht
anerkannt.
Die Autorin beschreibt ein Verhalten, dass früher auf dem
Dorf normal war, Platz für Selbstverwirklichung war hier meist nicht. Marlies
fügt sich in die Gegebenheiten, doch sie schafft sich immer wieder Genugtuung,
indem sie sich durch ihr Handeln dem Willen von Lisbeth bei Kleinigkeiten
widersetzt. Schließlich erringt sie die Zustimmung ihres Ehemanns zu einigen
für sie wichtigen Freiheiten. Ihrer Tochter eröffnet sie durch ihre Erziehung
weite Wege und ist erstaunt darüber, dass Joanna manche ihrer eigenen Entscheidungen
früher ihrer Großmutter mitteilt als ihr. Die Autorin begründet Lisbeths
Verhalten Joanna gegenüber mit einem Geheimnis, das eigentlich in der
Dorfgemeinschaft, in der jeder alles von jedem weiß, nicht sein kann. Für
Lisbeth und Marlies hat die vermutete, gefestigte Meinung der Verwandten und
Ortsbewohner maßgeblich zu ihrem Tun beigetragen, Joanna setzt sich
unkonventionell darüber hinweg. Lisbeth ist mit dem Alter gelassener geworden,
bleibt aber hauptsächlich Marlies gegenüber fast trotzig bei ihren Ansichten.
Ute Mank schildert in ihrem Roman „Wildtriebe“ das unterschiedliche stille Streben einer Bäuerin, ihrer Schwiegertochter und ihrer Enkelin um mehr Selbstbestimmtheit und Anerkennung ihrer Persönlichkeit. Durch ihren Schreibstil drückt die Autorin die nie gesagten Worte zwischen ihren Protagonistinnen aus und beschreibt eine reale Version des Lebens auf dem Land in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Gerne empfehle ich das Buch weiter.