Mittwoch, 27. Oktober 2021

Rezension: Berlin Friedrichstraße - Novembersturm von Ulrike Schweikert


 

Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Berlin Friedrichstraße - Novembersturm
Autorin: Ulrike Schweikert
Erscheinungsdatum: 14.09.2021
Verlag: Rowohlt Polaris (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783499000089

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Der Roman „Berlin Friedrichstraße – Novembersturm“ von Ulrike Schweikert ist der erste Teil eine Dilogie. Bezeichnenderweise spielt die Geschichte zu einem gewissen Teil in der Friedrichstraße in Berlin, denn hier besitzt ab einem gewissen Zeitpunkt einer der Protagonisten ein kleines Geschäft an einer Ecke des Bahnhofs. Die Bahnstation, die am Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurde, erfuhr später einige Aus- und Umbauten. Im Laufe der Jahre entwickelte sie sich zu einem Dreh- und Angelpunkt für die West- und Ostberliner. Aber der erste Band spielt zunächst in der Zeit von 1882 bis 1933.

Die Autorin schildert im Buch die ungewöhnliche Liebe der Kinder der Familien Rosenstein, Wagenbach und Richter, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Beletage und dem zweiten Stock in einem Vorderhaus in Charlottenburg leben. Aber auch Ella Weber, die im Hinterhaus aufwächst, spielt in der Liebesbeziehung eine wichtige Rolle.

Nach einem einführenden Prolog springt die Geschichte zeitlich in das Jahr 1920. Der 31 Jahre alte Robert Wagenbach erhält in diesem Jahr als Architekt einen bedeutenden Auftrag und hält um die Hand der ein Jahr jüngeren Luise Richter an. Über der Freundschaft der beiden liegt die Trauer um den im Ersten Weltkrieg vermissten Freund Johannes Rosenstein, mit dem Luise heimlich verlobt war. Johannes ältere Schwester Ilse ist eine gute Freundin von Luise und ist genauso positiv erschrocken wie das Ehepaar als Johannes eines Tages wieder in ihr Leben tritt.

In ihrem Roman beschreibt die Autorin bewusst sowohl die glänzende Seite Berlins wie auch die Schattenwelt. Sie bringt einen Teil ihrer Figuren mit der Welt des Kinos, des Theaters, der Kleinkunst und der Literatur in Berührung. Neue Musikstile erobern die Bühnen, nach den langen Kriegsjahren freuen sich die Berliner über kurzweilige Unterhaltung, obwohl ihnen sicher aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung nicht immer zum Lachen ist. Viele kämpfen noch lange Zeit mit den psychischen und physischen Folgen des Kriegseinsatzes. Die Inflation bedrohte Reiche wie Arme. Ulrike Schweikert zeigt, wie Ringvereine kriminell organisiert vorgingen und ihren Einfluss gelten ließen.

Die Geschichte spielt vor dem Hintergrund der dramatischen politischen Entwicklungen in Deutschland und deren Auswirkungen auf Berlin. Dadurch gelingt der Autorin die Gestaltung einer viele Aspekte umfassenden Erzählung, die sich leicht und gewandt lesen lässt. Allerdings treten neben den Fakten die fiktiven Anteile der Geschichte etwas zurück. Leider konnten mich persönlich die Gefühle der handelnden Personen nicht wirklich erreichen. Es gab kaum Entwicklung in den Ansichten und Meinungen der einzelnen Protagonisten über die Reihe von Jahren hinweg. Von einem Unglücksfall zum Ende des Romans hin war ich überrascht, er sorgte dafür, dass die Figuren neu gesetzt wurden.

Insgesamt gesehen, hat Ulrike Schweikert mit ihrem Roman „Berlin Friedrichstraße – Novembersturm“ ihr Ziel erreicht, die 1920er Jahre bis hinein in die 1930er Jahre in Berlin aus mehreren Blickwinkeln abzubilden. Wer sich gerne in diese Welt zwischen Glamour und Gosse mitnehmen lassen möchte, sollte zu dem Roman greifen.


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