Rezension von Ingrid Eßer
*Werbung*
Titel: Berlin Friedrichstraße - Novembersturm
Autorin: Ulrike Schweikert
Erscheinungsdatum: 14.09.2021
Verlag: Rowohlt Polaris (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783499000089
-----------------------------------------------------------------------------
Der Roman „Berlin Friedrichstraße – Novembersturm“ von
Ulrike Schweikert ist der erste Teil eine Dilogie. Bezeichnenderweise spielt
die Geschichte zu einem gewissen Teil in der Friedrichstraße in Berlin, denn
hier besitzt ab einem gewissen Zeitpunkt einer der Protagonisten ein kleines
Geschäft an einer Ecke des Bahnhofs. Die Bahnstation, die am Ende des 19.
Jahrhunderts gebaut wurde, erfuhr später einige Aus- und Umbauten. Im Laufe der
Jahre entwickelte sie sich zu einem Dreh- und Angelpunkt für die West- und
Ostberliner. Aber der erste Band spielt zunächst in der Zeit von 1882 bis 1933.
Die Autorin schildert im Buch die ungewöhnliche Liebe der
Kinder der Familien Rosenstein, Wagenbach und Richter, die zu Beginn des 20.
Jahrhunderts in der Beletage und dem zweiten Stock in einem Vorderhaus in
Charlottenburg leben. Aber auch Ella Weber, die im Hinterhaus aufwächst, spielt
in der Liebesbeziehung eine wichtige Rolle.
Nach einem einführenden Prolog springt die Geschichte
zeitlich in das Jahr 1920. Der 31 Jahre alte Robert Wagenbach erhält in diesem
Jahr als Architekt einen bedeutenden Auftrag und hält um die Hand der ein Jahr
jüngeren Luise Richter an. Über der Freundschaft der beiden liegt die Trauer um
den im Ersten Weltkrieg vermissten Freund Johannes Rosenstein, mit dem Luise
heimlich verlobt war. Johannes ältere Schwester Ilse ist eine gute Freundin von
Luise und ist genauso positiv erschrocken wie das Ehepaar als Johannes eines
Tages wieder in ihr Leben tritt.
In ihrem Roman beschreibt die Autorin bewusst sowohl die
glänzende Seite Berlins wie auch die Schattenwelt. Sie bringt einen Teil ihrer
Figuren mit der Welt des Kinos, des Theaters, der Kleinkunst und der Literatur
in Berührung. Neue Musikstile erobern die Bühnen, nach den langen Kriegsjahren
freuen sich die Berliner über kurzweilige Unterhaltung, obwohl ihnen sicher
aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung nicht immer zum Lachen ist. Viele
kämpfen noch lange Zeit mit den psychischen und physischen Folgen des
Kriegseinsatzes. Die Inflation bedrohte Reiche wie Arme. Ulrike Schweikert
zeigt, wie Ringvereine kriminell organisiert vorgingen und ihren Einfluss
gelten ließen.
Die Geschichte spielt vor dem Hintergrund der dramatischen
politischen Entwicklungen in Deutschland und deren Auswirkungen auf Berlin. Dadurch
gelingt der Autorin die Gestaltung einer viele Aspekte umfassenden Erzählung,
die sich leicht und gewandt lesen lässt. Allerdings treten neben den Fakten die
fiktiven Anteile der Geschichte etwas zurück. Leider konnten mich persönlich
die Gefühle der handelnden Personen nicht wirklich erreichen. Es gab kaum
Entwicklung in den Ansichten und Meinungen der einzelnen Protagonisten über die
Reihe von Jahren hinweg. Von einem Unglücksfall zum Ende des Romans hin war ich
überrascht, er sorgte dafür, dass die Figuren neu gesetzt wurden.
Insgesamt gesehen, hat Ulrike Schweikert mit ihrem Roman
„Berlin Friedrichstraße – Novembersturm“ ihr Ziel erreicht, die 1920er Jahre
bis hinein in die 1930er Jahre in Berlin aus mehreren Blickwinkeln abzubilden.
Wer sich gerne in diese Welt zwischen Glamour und Gosse mitnehmen lassen
möchte, sollte zu dem Roman greifen.