Autorin: Franka Michels
Erscheinungsdatum: 01.09.2021
Verlag: Knaur (Link zur Buchseite des Verlags)
ISBN: 9783426527290
Weißwangengänse, auch Nonnengänse genannt, kehren im Herbst
von der russischen Eismeerküste aus in ihr Winterquartier nach Langeoog zurück.
Die
60-jährige Amelie, die schon lange auf der Insel lebt und früher
Nationalpark-Gästeführerin war, erwartet ungeduldig ihre Ankunft. Sie vermutet,
dass sie aufgrund ihrer schweren Erkrankung nicht mehr den Rückflug der Gänse zu
Beginn des nächsten Jahres sehen wird. Amelie ist eine der beiden
Protagonistinnen des Romans „Der Zug der Nonnengänse“ von Franka Michels, einem
offenen Pseudonym der Autorin Regine Kölpin.
Die Journalistin Bente aus Hannover, 40 Jahre alt, ist die
zweite Hauptfigur der Geschichte. Spontan lässt sie ihren Ehemann Daniel und
ihre 14-jährige Tochter Zuhause zurück, um sich eine Auszeit auf Langeoog zu
nehmen. Zwischen ihr und Daniel stehen Themen zur Diskussion, zu denen sie eine
gegenteilige Meinung haben. Bente fühlt sich unverstanden und in eine
Nebenrolle gedrängt, während Daniels Beruf im Vordergrund zu stehen scheint und
er auf einen Kollegen seiner Ehefrau eifersüchtig ist. Auf Langeoog begegnen
sich Amelie und Bente, woraus sich sehr bald eine tiefe Freundschaft
entwickelt. Verbunden sind sie durch gemeinsame Erfahrungen. Doch der Älteren
von ihnen bleibt wenig Zeit dazu, ihre Erkenntnisse aus dem Erlebten der
Jüngeren mitzuteilen.
Bereits das Cover vermittelte mir die Ruhe der Natur, die
die beiden Protagonistinnen auf der Insel finden. Die Autorin lebt selbst an
der Nordseeküste und sehr schön hat sie ihre eigenen Eindrücke in den Roman
einfließen lassen und für mich als Lesende vorstellbar gemacht. Da ich vor
einigen Jahren auch auf Langeoog zu Gast war, kehrten meine Erinnerungen
schnell wieder. Dank guter Recherche bindet Franka Michels in der Geschichte ebenfalls
Wissenswertes rund um die Lebensweise von Gänsen auf der Insel und ganz
speziell zu Nonnengänsen ein.
Zunächst ist noch nicht ersichtlich, was die beiden
Hauptfiguren schließlich verbindet, denn zu verschieden sind ihre Sorgen. Ganz
behutsam nähert sich die Autorin dem Thema des bevorstehenden Sterbens Amelies,
die bewusst Abschied nimmt von all den vertrauten Dingen ihres Alltags.
Gleichzeitig sorgt sie mit den Zwistigkeiten in der Ehe von Bente, die bisher
bestimmt war von einem starren, eher konservativen Rollenkonzept, für einen
starken Kontrast, denn die Hannoveranerin kämpft mit ihrer Wut und ihrer anhaltenden
Liebe zu ihrem Ehemann. Sie bemerkt, dass die Beziehung zu ihm sich zum
Nachteil verändert hat. Diese beiden Erzählstränge sind bereits bewegend, doch
der Roman erlebt noch einmal ein emotionales Highlight als Amelie und Bente
sich befreunden und sich gemeinsam dem stellen, was sie verbindet und bedrückt.
Die Figuren und ihre Handlungen sind authentisch und manche hat ihre eigenen
Ecken und Kanten.
Der berührende Roman „Der Zug der Nonnengänse“ von Franka
Michels ist eine Geschichte vom Kommen und Gehen im Leben. Im Fokus stehen zwei
Frauen unterschiedlichen Alters mit ganz verschiedenen Problemen, die sich bald
freundschaftlich verbunden fühlen und sich gegenseitig stützen. Die Autorin
zeigt, wie wunderbar und tröstlich es sein kann, sich mit der Natur zu
verbinden. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung zum Buch.