Rezension von Ingrid Eßer
Titel: Das Buch der verschollenen Namen
Autorin: Kristin Harmel
Übersetzerin aus dem amerikanischen Englisch: Veronika Dünniger
Erscheinungsdatum: 01.10.2021
Verlag: Knaur (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Broschur mit gestalteten Klappen
ISBN: 9783426227138
In ihrem Roman „Das Buch der verschollenen Namen“ führt die
US-Amerikanerin Kristin Harmel den Lesenden in die Vergangenheit zu einem
dunklen Kapitel der Geschichte. Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen. Durch
die Begebenheiten in der Gegenwart erfuhr ich, dass die Protagonistin Eva Abrams
die schwierigen Kriegsjahre überlebt hat. Ein sehr altes Buch, in dem Lesungen
und Evangelien enthalten sind, wird zu einem wichtigen Utensil für Eva zum
Erfassen der wahren Identität jüdischer Kinder, worauf der Titel des Romans
hinweist. In der oberen Hälfte des Covers ist links der Pariser Eiffelturm zu
sehen. Er führt mich als Leserin in die französische Hauptstadt, dem Wohnort
der Familie der Hauptfigur in den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs.
Im Jahr 2005 liest die in den USA lebende, inzwischen
betagte Eva in einer Zeitung von einem Berliner Bibliothekar, der alte
wertvolle Bücher wieder in den Besitz der rechtmäßigen Besitzer bringen will.
Eva erkennt auf einem Foto das Buch der verschollenen Namen und erinnert sich dadurch
ungern an die Vergangenheit, als sie in Frankreich lebte. Nach der Verhaftung
ihres Vaters verschaffte sie ihrer Mutter und sich neue Papiere mit denen sie
in den Süden des Landes fuhren. Eva schloss sich dort der Resistance an und
fälschte in diesem Rahmen Papiere für Erwachsene, aber auch für jüdische Kinder.
Permanent war in der Gruppe die Angst vorhanden, dass sie verraten werden
könnten. Das Misstrauen nahm zu und eines Tages war es soweit, ihre Tarnung war
aufgeflogen.
Kristin Harmel lässt die jüngeren Ereignisse von ihrer
Protagonistin in der Ich-Form schildern, aber den Rückblick beschreibt ein
allwissend Erzählender. Die Pariser Juden litten im Zweiten Weltkrieg zunehmend
unter Ressentiments und Einschränkungen. Dennoch bewahrte sich Evas Vater immer
noch seinen Optimismus. Eva ging weiter ihrem Studium der englischen
Literaturwissenschaft mit der Hoffnung nach, dass die Lage sich bald wieder
bessern würde. Nur durch Zufall entgehen ihre Mutter und sie ebenfalls der
Gefangennahme durch die Nationalsozialisten. Ihre Flucht bringt sie in das
kleine Bergdorf Aurignon, in dem Eva staunend von den Möglichkeiten erfährt,
sich gegen das Terrorregime aufzulehnen.
Aurignon bleibt nicht lange unbesetzt und die Gefahr,
aufzufliegen, nimmt zu. Eva ist sich ihrer gesetzeswidrigen Handlungen und der
daraus folgenden Konsequenzen bei Entdeckung überaus bewusst. Sie hat Zuneigung
zu einem Mitglied der Bewegung entwickelt und kämpft mit gegensätzlichen
Gefühlen, denn der geliebte Mann widmet immer mehr Zeit dem Widerstand. Gleichzeitig
streitet Eva mit ihrer Mutter darüber, ob sie ihre Religion in der Rolle der
Nicht-Jüdin vernachlässigt. Immer mehr entwickelt sich die Protagonistin von der
wohlerzogenen Tochter zur selbstbewussten Mitstreiterin für die gute Sache.
Aufgrund der unbedingt notwendigen Geheimhaltung über
Handlungen und den Mitgliedern der Resistance bleiben die beteiligten Figuren
erwartungsgemäß undurchschaubar, wodurch über weite Teile der Geschichte ein
Hauch von Nervenkitzel liegt. Für Eva ist es kompliziert zu erkennen, wem sie
vertrauen kann und wer ihr freundlich gesinnt ist. Die Ereignisse sind
authentisch geschildert und basieren auf wahren Begebenheiten zu denen ich in einem
Anhang gerne noch mehr erfahren hätte.
Kristin Harmel beschreibt in ihrem Roman „Das Buch der
verschollenen Namen“ das Leben einer jungen Pariser Jüdin, deren Leben sich
abrupt ändert und die sich aufgrund dessen dem französischen Widerstand gegen
die deutschen Besatzer anschließt unter bewusster Inkaufnahme der damit möglicherweise
verbundenen tödlichen Folgen bei Enttarnung. Die Geschichte ist realistisch
erzählt und berührend und wird begleitet von einer tragischen Liebesgeschichte.
Gerne empfehle ich das Buch an Lesende von historischen Romanen weiter.