oder Endlich ein Gefühl von Ordnung
oder Grenzenlose Auswahl zerstört die Welt
Autor: Dave Eggers
ÜbersetzerInnen aus dem Englischen: Klaus Timmermann und Ulrike Wasel
Erscheinungsdatum: 07.10.2021
Verlag: Kiepenheuer & Witsch (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783462001129
Sieben Jahre nach dem Erfolg des Romans „Der Circle“ des
US-Amerikaners Dave Eggers erscheint mit seinem Buch „Every“ die Fortsetzung.
Auf dem Vortitel im Buch und der Inhaltsangabe auf dem Schutzumschlag bietet
der Autor die folgenden drei Untertitel an: „Endlich ein Gefühl von Ordnung“,
„Die letzten Tage des freien Willens“ und „Grenzenlose Auswahl zerstört die
Welt“. Die unterschiedlichen Aussagen zeigen, dass es verschiedene Auffassungen
von ein und derselben Sache geben kann.
Im Buch dreht sich dabei alles um die digitalen Produkte des
Unternehmens Every, das nach dem Aufkauf eines E-Commerce-Riesen durch den
Circle entstanden ist. Auf dem Cover ist das neue Logo der Firma zu sehen, das
aus drei Wellen um einen vollkommenen Kreis herum besteht, was mehr oder
weniger unendliche Möglichkeiten zur sozialen Vernetzung durch
Kommunikationssysteme darstellen soll.
Delaney Wells hat verschiedene Gründe, um das Unternehmen
Every zu zerschlagen. Daher bewirbt sich die studierte Geisteswissenschaftlerin
um eine Anstellung. Bereits in ihrer Abschlussarbeit am College hat sie sich
mit der Auslegung des von ihr gewählten Themas auf die Seite von Every gestellt,
was ihr jetzt zugutekommt und schon damals ihr Plan war, um Vertrauen zu
wecken. Von ihrem weiteren Vorgehen hat sie noch keine genauen Vorstellungen,
denn zunächst möchte sie in einer Jobrotation nach Schwachstellen suchen, die
sie dann für ihren Zweck ausnutzen kann. Von ihrem Anliegen weiß nur noch ihr
Mitbewohner Wes, der ihr bei der Programmierung ihrer Ideen zu neuen Apps hilft
und auch eigene Vorschläge beisteuert.
Dave Eggers unterbreitet dem Lesenden ein wahres Feuerwerk
an Einfällen für neue digitale Produkte, die von Every hergestellt werden. Auch
für nichttechnische Angestellte wie Delaney gibt es genügend Arbeitsplätz im
Betrieb. In der ersten Zeit scannt sie zum Beispiel Fotos und Gegenstände, die
anschließend vernichtet werden und zukünftig nur noch digitalisiert existent
sind. Als Mitarbeiterin merkt sie schnell, dass die Kontrollen der Angestellten
bei weitem noch ausgedehnter und raffinierter sind, als sie im Vorfeld
recherchiert hat. Dabei werden vom Unternehmen die Bewertungen und Anregungen
immer nur als positiv zur Förderung des Miteinanders, der Gerechtigkeit und
Klarheit dargestellt. Die Zeit jedes Einzelnen wird aufgrund diverser Apps, die
jeder auf seinem Smartphone installiert haben sollte, durch Empfehlungen und
Anweisungen permanent optimiert.
Schon kurze Zeit nach ihrer Arbeitsaufnahme kommt Delaney
auf den Gedanken, dass sie Every am besten mit unmöglichen Ideen versorgen
sollte, für deren Umsetzung das Unternehmen dann an Ansehen in der
Öffentlichkeit verlieren wird bis es am Abgrund steht. Im Folgenden versorgt
Dave Eggers den Lesenden mit allen möglichen skurril erscheinende Ideen. Er
betrachtet sie von mehreren Seiten, so dass der zwiespältigen
Anwendungssoftware immer auch Positives abzugewinnen ist. Entsprechende Apps finden
sich auch heute schon in unserem Alltag, was mich sehr nachdenklich über die
weitere reale Entwicklung stimmte. Natürlich zögert der Autor nicht, die
Schattenseiten der Nutzung beispielhaft ausführlich zu belegen und auf die
Spitze zu treiben.
Im Roman begegnet die Protagonistin vielen weiteren MitarbeiterInnen
bei Every, doch nur für sie selbst und Wes beschreibt Dave Eggers einen
ausführlicheren familiären Hintergrund, was ich schade fand. Die meisten der
handelnden Personen wirkten recht statisch auf mich. Obwohl Delaney sich ein
hohes Ziel gesetzt hatte, strebte sie mehr oder weniger arglos darauf zu. Im
letzten Drittel des Buchs nimmt die Handlung dann Fahrt auf und sorgt noch für
einige Überraschungen und unerwartete Wendungen.
Mit dem Roman „Every“ hat Dave Eggers die Fortsetzung seines
Buchs „Der Circle“ geschrieben, in dem er erneut unsere Gesellschaft mit deren
Problemen konfrontiert. In Form der Protagonistin Delaney stellt er sich gegen
eine ständige Überwachung und Auswertung von Zahlen, die Applikationen aus
unserem Alltag gewinnen, egal ob es körperliche Werte sind oder solche, die mit
unserem Tun in Zusammenhang stehen. Gleichzeitig zeigt er aber auch die
positiven Seiten solcher Anwendungssoftware. Viele der Ideen des Autors zu Apps
wirken realisierbar, was die Erzählung faszinierend und erschreckend zugleich
macht. Gerne empfehle ich das Buch an alle weiter, die einen (überspitzten) Blick
auf eine mögliche Zukunft unserer Gesellschaft werfen wollen.