Titel: Reality Show
Autorin: Anne Freytag
Erscheinungsdatum: 20.10.2021
In ihrem Roman „Reality Show“ bringt Anne Freytag an einem
Heiligabend in nicht allzu ferner Zukunft die Zuschauer gemeinsam vor einer
unplanmäßigen, ungewöhnlichen Sendung, die auf allen Programmen läuft, vor dem
Fernseher zusammen. In einer Liveausstrahlung werden sie Augenzeuge eines
irreal erscheinenden Gerichts, dessen Richter sie selbst sein sollen. Dazu
wurden zehn Personen in Deutschland ausgewählt, die den größten Einfluss in
verschiedensten Branchen haben, wodurch ihre Macht auch bei der Bevölkerung zum
Tragen kommt. Sie sind angeklagt, ihre Stellung in der Gesellschaft nur unter
Ausnutzen von Menschen, Ressourcen oder Gesetzeslücken erlangt zu haben. Die
Zuschauer entscheiden, wer von ihnen und wie bestraft werden soll.
Zu Beginn des Romans baut Anne Freytag schnell Spannung auf.
Es gibt durchaus Ähnlichkeiten zwischen den fiktiven angeklagten Figuren und
realen Personen in der Öffentlichkeit. Daher war es interessant zu verfolgen,
wie Anklage, Verteidigung und Verurteilung durch die Zuschauer nun erfolgen
sollten. Vor allem stand aber auch die Frage im Raum, wer die Show veranlasst
hat und warum. Die Sendung verlangte einige Jahre Vorbereitung und konnte nur
von mehreren Personen unter strengster Geheimhaltung ausgeführt werden.
In kurzen Kapiteln werden die zehn Angeklagten einzeln
vorgestellt, wie sie gerade den Heiligabend verbringen, meist im Kreis der
Familie. Es folgen Rückblicke auf die Vorbereitung des Abends mit Blick auf die
einzelnen Täter. Im Laufe der Planungen haben sie sich ab einem bestimmten
Zeitpunkt Decknamen gegeben. Dazwischen werden auch beispielhaft Zuseher
vorgestellt, die gerade die Sendung vor dem Fernseher verfolgen. Der Kreis der
handelnden Personen wurde immer zahlreicher. Verbunden mit den Zeitsprüngen und
den Pseudonymen war es schwierig der Handlung zu folgen. Die aufgebaute
Spannung versandete wieder. Meiner Meinung nach waren es zu viele angeklagte
Machtmenschen.
Den Grundgedanken des Romans fand ich ansprechend. Anne
Freytag betrachtet ganz verschiedene Themen wie Fast Fashion, Datenverkauf,
Missbrauch von Sportlerinnen und Erwerb jüdischen Eigentums in Zeiten des
Nationalsozialismus. Durch ihre Protagonisten übt sie Gesellschaftskritik am
sozialen Machtgefüge. Gerne hätte ich noch mehr über das Für und Wider des Tuns
der Angeklagten erfahren. Stattdessen baute die Autorin die Hintergründe für
die Entstehung der Show weiter aus, was aber auch richtig und wichtig war.
Durch die Beschreibung der Reaktionen der Zuschauer spricht sie an, welche
Ideale heute vorherrschen und wie beeinflussbar jeder aufgrund einer guten
Darstellung von Argumenten ist ohne die Gründe der Gegenseite zu kennen, was
mich erschreckt hat.
Anne Freytag spielt in ihrem Roman „Reality Show“ mit der
Sensationslust der Menschen und ist damit am Puls der Zeit. Die Autorin wirft unterschiedliche,
gesellschaftlich relevante, problematische Themen auf, die mich als Leserin
nachdenklich stimmten. Die Umsetzung der Sendung ist überspitzt dargestellt,
die Konstruktion der Geschichte mit einer hohen Anzahl Personen, die die
Überschaubarkeit der Handlung einschränkten, konnte mich aber nicht vollends
überzeugen.