In „Zum Paradies“ nahm Hanya Yanagihara mich mit in die Jahre 1893, 1993 und 2093 - drei gänzlich unterschiedliche Jahrhunderte, die gleichzeitig auch drei ganz unterschiedlichen Welten angehören.
Im Jahr 1893 gehört New York zu den Freistaaten, in denen man im Gegensatz zu den Kolonien heiraten kann, wen man will. David Bingham entstammt einer reichen, angesehenen Familie und hat seinen Großvater, mit dem er in einem Haus am Washington Square lebt, gebeten, eine Ehe für ihn zu arrangieren. Der deutlich ältere Charles Griffith ist der erste Kandidat, der Davids Sympathien gewinnen kann. Doch dann lernt David den mittellosen Edward Bishop kennen. Eine Ehe so weit unter Stand würde sein Großvater niemals gutheißen, sodass David in ein Dilemma gerät.
Auch im Jahr 1993 lernte ich einen David Bingham kennen. Dieser führt eine Beziehung mit Charles Griffith, der in einem Haus am Washington Square lebt. In der Gegenwart von Charles’ reichen Freunden fühlt er sich oft wie ein Fremdkörper. Wie viele seiner Freunde leidet Charles außerdem unter einer nicht benannten Krankheit, bei der es sich vermutlich um AIDS oder - da wir uns in einer Welt befinden, die nicht ganz die unsere ist - etwas ganz ähnliches handelt. Charles’ Ex-Freund Peter hingegen ist an Krebs erkrankt und verbringt einen letzten Abend in der Gesellschaft seiner Freunde, bevor er in der Schweiz aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen wird. Außerdem hat David einen Brief seines Vaters bekommen, in dem dieser ihm seine Lebensgeschichte erzählt.
In der Welt des Jahres 2093 lebt Charlie mit ihrem Ehemann in einer von acht Parteien im Haus am Washington Square, in dem sie als Kind allein mit ihrem Großvater lebte. Zahlreiche Krankheiten, Katastrophen und der Klimawandel haben in den letzten Jahrzehnten gewütet und das gesellschaftliche Leben in New York hat sich stark verändert. Alles ist stark reglementiert und es herrscht Ressourcenknappheit. In Briefen, die ein Charles Griffith von 2043 bis 2088 an einen Peter schreibt, erfuhr ich einiges darüber, wie es so weit kommen konnte.
Die offensichtlichste Gemeinsamkeit aller drei Teile sind die sich wiederholenden Namen, wobei sich die gleichnamigen Charaktere in Sachen Herkunft und Persönlichkeit sehr unterscheiden. Das Haus am Washington Square spielt immer wieder eine Rolle und es gibt viele Themen und Motive, die in den verschiedenen Geschichten immer wieder auftauchen. Diese verbindenden Elemente halten die drei ansonsten völlig unterschiedlichen Geschichten zusammen.
„Zum Paradies“ nimmt familiäre Strukturen und Spannungen unter die Lupe, erwiderte und unerwiderte Liebe und Fragen der Abstammung, des Standes des eigenen Vermächtnisses. Die gesellschaftlichen Strukturen der drei unterschiedlichen Welten erschließen sich beim Lesen schrittweise und vieles wird nur angedeutet. Die Charaktere lassen häufig ihre Gedanken schweifen, reflektieren ihr Leben und ihre Lebensgeschichte.
Für mich zog sich das Buch an vielen Stellen in die Länge und es passierte nicht genug, um meine Neugier über so viele Seiten zu erhalten. Gleichzeitig fiel es mir schwer, zu den Charakteren im Zentrum der jeweiligen Geschichten eine Verbindung aufzubauen. Erst der dritte Teil, der etwa auf der Hälte des Buches beginnt, konnte mein Interesse wieder wecken. Das hier beschriebene, dystopische Szenario stimmt vor dem Hintergrund der aktuellen Pandemie nachdenklich im Hinblick auf die Frage, wie viele Parallelen es wohl zu unserer Welt im Jahr 2093 geben wird. Die Ideen der Autorin hinsichtlich des Aufbaus des Buches und der von ihr aufgegriffenen Themen und Motive haben mir gefallen, die Umsetzung konnte mich jedoch nur mäßig überzeugen.