Der Roman „Zukunftsmusik“ von Katerina Poladjan spielt am
11.März 1985 in der Sowjetunion, in einer Stadt östlich von Moskau, die über
eine Klinik, ein Museum für Natur- und Völkerkunde, eine Fabrik zur
Glühbirnenproduktion, eine technische Fakultät sowie ein geheimes Institut
verfügt. Am Vortag ist der Staats- und Parteichefs Tschernenko verstorben,
daher läuft im Radio Trauermusik. Die Autorin nimmt in ihrer Geschichte eine
Kommunalka in den Fokus, in der das Staatsereignis kaum wahrgenommen wird. Aber
ohne dass es jemand von den Mitbewohnern ahnt, bricht an diesem Tag eine
politisch bedeutende neue Zeit an, von dessen Auswirkungen alle betroffen sein
werden.
In einer der Mietparteien der Kommunalwohnung leben vier Generationen
auf kleinem Raum zusammen. Warwara ist Mitte 60 und wurde nach dem plötzlichen
Tod ihres Ehemanns von ihrer Tochter Maria in die häusliche Gemeinschaft
aufgenommen. Sie arbeitet immer noch aushilfsweise als Hebamme in der städtischen
Klinik. Maria ist 45 Jahre alt, lebt getrennt und arbeitet als Museumswärterin.
Ihre 20-jährige Tochter Jalka gehört ebenfalls zum Haushalt und ist seit einiger
Zeit selbst Mutter. Um zum Haushaltsbudget beizutragen, arbeitet Jalka
Schichten in der Fabrik. An eben jenem 11. März 1985 möchte sie mit einem
Küchenkonzert in der Kommunalka etwas Neues wagen, doch die Umstände sprechen
eher gegen die Durchführung.
In dem Mikrokosmos der Wohngemeinschaft haben die meisten
sich längst mit den Gegebenheiten abgefunden. Die vom Staat genehmigte
Wohnfläche für jeden ist klein, aber man arrangiert sich. Das Gemeinwohl steht
über dem des Einzelnen. In der Küche bleibt man nicht lange allein und in den
Töpfen und Schränken der anderen lässt sich gern was Gutes finden. Dennoch hat
sich jeder auf seine Weise einen Rückzugsort geschaffen. Auch wenn es nicht zu
einem eigenen Bereich in der Wohnung reicht, kann man beim Träumen die ganze
Welt bereisen und die Person sein, wer immer man sein möchte. Fantasien sind
nicht zu reglementieren und nicht strafbar. Janka wünscht sich beispielsweise, mit
einem selbstverfassten Lied berühmt zu werden und damit endlich die Tristesse
ihres bisherigen Alltags hinter sich zu lassen.
Katerina Poladjan hat ihre Figuren liebevoll mit Eigenarten
versehen, die dafür sorgen, der Geschichte einen heiteren Ton zu verleihen.
Auch wenn vieles in einem abgesteckten staatlichen Rahmen stattzufinden hat, sorgen
Gefühle weckende zwischenmenschliche Kommunikation und unvorhergesehene
Ereignisse für Abwechslung im Leben der Bewohner der Kommunalka. Liebe, Wut,
Trauer und Hoffnung sind nicht zu vermeiden und vor allem die Älteren wissen,
dass es trotz manchem Sturm immer weitergeht und jeder Tag neue
Herausforderungen mit sich bringt.
In ihrem Roman „Zukunftsmusik“ erzählt Katja Poladjan von
einem Tag Mitte der 1980er im Leben einer Familie mit vier Generationen von
Frauen, die auf engem Raum zusammenleben. Keine von ihnen ahnt, dass an diesem
Tag eine politische Wende beginnt, alte Krusten aufgebrochen und neue Werte
gesetzt werden, die zu unendlich weiteren Träumen von Chancen führen. Die
Geschichte entbehrt nicht einem amüsanten Unterton durch die kleinen Marotten
der Figuren. Gerne empfehle ich das Buch weiter.