Montag, 7. März 2022

Rezension: Die Kinder sind Könige von Delphine de Vigan

 


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Die Kinder sind Könige
Autorin: Delphine de Vigan
Übersetzerin: Doris Heinemann
Hardcover: 320 Seiten
Erschienen am 7. März 2022
Verlag: DuMont Buchverlag

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Am 10. November 2019 verschwindet die sechsjährige Kimmy spurlos beim Versteckspiel mit ihrem Bruder und einigen Nachbarskindern. Sie wurde zuletzt gesehen, als sie in Richtung Tiefgarage gelaufen ist. Ist sie weggelaufen oder wurde sie entführt? Clara Rousell ist eine „flic“, eine Polizistin, die gemeinsam mit ihren Kolleg:innen die Ermittlungen aufnimmt. Als sie erfährt, dass Kimmy und Sammy die erfolgreichsten französischen Kinder-Influencer auf YouTube und Instagram sind, taucht sie ein in deren Social Media Welt, um zu verstehen. Kann sie hier ein Motiv für das Verschwinden finden? Kimmys Mutter Mélanie wartet unterdessen voller Sorge gemeinsam mit ihrem Mann Bruno und ihrem Sohn Sammy auf ein Lebenszeichen. Sie glaubt, dass jemand die Tat begangen hat, weil er die Familie um ihr Glück beneidet. Doch Clara zweifelt bald daran, dass die Familie wirklich so glücklich ist, wie sie vorgibt zu sein.

Das Buch beginnt mit einer transkribierten Instagram-Story des fiktiven Kanals „Happy Récré“, in der die Zuschauer entscheiden sollen, welche neuen Sneaker Mélanie Claux ihrer sechsjährigen Tochter Kimmy kaufen soll. In den folgenden Kapiteln erhielt ich als Leserin einige Informationen zum Werdegang einerseits von Mélanie und ihrer Faszination für Reality Shows sowie andererseits von Clara, die mit vierundzwanzig ihr Jurastudium abgebrochen hat, um Polizistin zu werden. Die beiden Frauen sind charakterlich höchst verschieden und treffen im Zuge der Ermittlungen zum Verschwinden von Kimmy zusammen.

Die Geschichte wechselt zwischen den Perspektiven von Mélanie und Clara hin und her. Dazwischen sind weitere Social Media Schnipsel von „Happy Récré“ abgedruckt, die einen Eindruck davon vermitteln, was auf den Kanälen der Familie passiert. Die Kapitel sind kurz, es gibt viele Zeit- und Ortswechsel, wodurch die Geschichte eine hohe Dynamik hat und mich mal hierhin, mal dorthin blicken ließ. Gespannt verfolgte ich die Ermittlungen und erhielt zwischendurch Informationen zur rechtlichen Situation im Hinblick auf Kinder-Influencer, die von Clara recherchiert und mir sachbuchähnlich mitgeteilt wurden. Frankreich hat 2019 ein neues Gesetz auf den Weg gebracht, das die jungen Influencer ähnlich wie Kinderschauspieler vor Ausbeutung und Kinderarbeit schützen soll und dessen Auswirkung auf „Happy Récré“ und ähnliche Kanäle diskutiert wird.

Schnell war ich mittendrin in der Welt der kleinen YouTube- und Instagram-Stars. Der Roman setzt sich kritisch mit zahlreichen Fragen rund um diese Tätigkeit auseinander. Ist es wirklich der größte Wunsch der Kinder, Millionen Follower zu haben? Was sind das für Eltern, die ihre Kleinen ausstaffieren, vor die Kamera holen und sie stundenlang beim Auspacken von Spielzeug und in allerhand vermeintlich lustigen Situationen zu folgen? Was passiert, wenn die Kinder nicht spuren und den Forderungen der Sponsoren zum richtigen Zeitpunkt und mit der geforderten Begeisterung nachkommen? Was sind das für Kinder und Erwachsene, die da zuschauen? Zahlreiche kritische Stimmen und Überlegungen stimmten mich nachdenklich. Zusätzlich wird abschließend die Frage aufgeworfen, welche Langzeitfolgen früher Social Media Ruhm haben kann. Zwar ist „Happy Récré“ fiktiv, doch es gibt zahlreichen Ländern der Welt viele Kanäle, die ähnlich funktionieren. Das hier skizzierte Szenario wirkte auf mich daher erschreckend realistisch. Sehr gerne empfehle ich das Buch an alle weiter, die Lust auf einen aufrüttelnden und informativen Roman rund um Kinder-Influencer und ihre Eltern haben.

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