Mittwoch, 9. März 2022

Rezension: Kangal von Anna Yeliz Schentke

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Kangal
Autorin: Anna Yeliz Schentke
Erscheinungsdatum: 09.03.2022
Verlag: S. Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783103970814

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In ihrem Roman „Kangal“ schreibt Anna Yeliz Schentke über die junge Türkin Dilek, die sich in ihrer Heimat nicht sicher fühlt und daher den Kontakt zu ihrer in Deutschland lebenden Cousine Ayla wieder aufleben lassen möchte. In den Sozialen Medien hat sich Dilek den Namen „Kangal1210“ gegeben. In der Bezeichnung kombiniert sie eine türkische Hunderasse, die sogar gegen Wölfe kämpft, mit dem Geburtstag einer ihrer Großmütter. Aus dem Begriff ist ihre wahre Identität nicht zu erkennen.

Vor Jahren war Dilek so entschlossen und beherzt wie die Kangallar und hat im Rahmen einer nationalen Online-Aktion protestierender Frauen ein Foto gepostet, ihr Gesicht ist darauf nicht zu sehen. Bisher lebte Dilek mit ihrem Lebensgefährten Tekin in Istanbul. Eine neue Bleibe findet sie in einer kleinen Wohnung mit Balkon in Frankfurt am Main. Ob sie hier auf ihrem Platz im Leben angekommen ist, konnte ich als Leserin im Laufe der Erzählung erfahren.

Der Putschversuch im Jahr 2016 hat das Leben von Dilek und ihren Freunden verändert. Jede kritische Äußerung kann in Bezug auf die Gesellschaft interpretiert zu Schwierigkeiten führen, wie es in Dileks Freundeskreis bereits geschehen ist. Vertrauen wird essentiell.

Gerne denkt Dilek an die gemeinsamen Sommer in der Heimat mit Ayla zurück, die eine Tochter ihrer nach Deutschland ausgewanderten Tante mütterlicherseits ist. Die Kommunikation miteinander ist abgebrochen, daher ist Ayla überrascht als ihre Cousine sich bei ihr meldet. Währenddessen macht Tekin sich in Istanbul auf die Suche nach seiner Freundin. Er versucht die Gründe für Dileks Handlung zu begreifen.

Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Dilek, Ayla und Tekin im Wechsel erzählt. Die Autorin nutzt eine am Wesentlichen orientierte Sprache. Ihre Figuren werden vorstellbar, sind authentisch und dennoch bleibt genügend Spielraum dafür, dass die Lesenden sich ein eigenes Bild von ihnen im Kopf gestalten können. Sie vermittelt deren Widerstreit der Gefühle, deren Liebe, deren Angst und deren Wut und doch blieben mir die Protagonisten auf gewisse Weise fern, denn sie stehen stellvertretend für all Jene, die ein ähnliches Leben führen hier wie dort.

Dilek hat bereits geahnt, dass ihre Heimat als sicheres Reiseland angesehen ist. In Deutschland fühlt sie sich in Vermutung bestätigt. Die Autorin nutzt auf der siebten Seite ihres Romans ein Zitat des Auswärtigen Amts, um Dileks Zaudern zu unterlegen und verbindet damit Fiktion mit Realität. Anhand ihrer Figur Ayla verdeutlicht sie den Zwiespalt derjenigen, die sich ihre Meinung dazu durch Hörensagen bilden. Ayla ist sich unsicher, an welchen Faktoren sie festmachen soll, die Wahrheit zu erkennen. Die Frage, ob familiäre Bande stärker sind als aktuelle Freundschaft steht im Raum.

Anna Yeliz Schentke beschäftigt sich in ihrem Roman „Kangal“ mit dem, was Heimat ausmacht. Es kann problematisch sein, dort die Person sein zu wollen, die man sein möchte und dabei seine freie Meinung zu äußern. Die Autorin verweist in diesem Zusammenhang auf die heutigen grenzenlosen Möglichkeiten die Jeden zu einem gläsernen Menschen machen können. Gerne empfehle ich das Buch weiter.


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