Autor: Albrecht Selge
Erscheinungsdatum: 08.03.2022
Verlag: Rowohlt Berlin (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
Die zwölfjährige Jolantha Seyfried ist die Protagonistin und
Titelgeberin im Buch „Luyánta“ von Albrecht Selge. Am Beginn der Geschichte ist
sie in unserer Welt, also der Erde, in den Sommerferien mit ihren Eltern und
ihren beiden Brüdern auf einer Hüttenwanderung in Südtirol unterwegs. Jolantha
hasst die Anstrengung, sie hasst die Unterbringung. Irgendwann nimmt sie ein
Pfeifen wahr. Als Leserin erfuhr ich schon nach kaum mehr als zwanzig Seiten,
dass man mit den Geräuschen tatsächlich Jolanta auf sich aufmerksam machen
möchte.
Das Mädchen packt etwas zum Essen und eine Stirnlampe in
ihren Beutel und macht sich auf die Suche nach denen, die da gepfiffen haben.
Dabei gelangt sie immer höher ins Gebirge und tiefer in waldreiche Gegenden
oder baumlose Ebenen, bis sie auf Murmeltiere trifft. Es erstaunt sie kaum,
dass sie sich mit ihnen unterhalten kann. Unbemerkt ist sie in die unselbe Welt
gelangt und wird hier schon dringend erwartet. Luyánta nennt man sie, denn so
hat sie seit ihrer Geburt dort in der anderen Welt immer schon geheißen, Das
Cover lässt im Ansatz erahnen, welche Flora- und Faunavielfalt in der unselben
Welt zu finden ist, die unserer bekannten Erde ähnelt und doch ihren eigenen
Charme entwickelt. Andreas Selge beschreibt sie detailverliebt, was zu einer
gewissen Länge, vor allem im Mittelteil führt.
Die Geschichte basiert auf der Sage vom Reich der Fanes, die
in Norditalien bekannt ist. In der Überlieferung wie auch im Fantasyroman
Luyánta finden sich das Maultiergerippe und die Königstochter Dolasilla, die
Adler, die Murmeltiere und natürlich die Fanesleute wieder. Der Autor stellt
seine Erzählung vor einen modernen Hintergrund.
Luyánta ist eine Heranwachsende, die auf der Suche nach ihrer
eigenen Identität ist. Die beiden Murmeltiere, von denen sie in die unselbe
Welt gerufen wird, reden in einer lässigen Sprache miteinander. Sie
verdeutlichen Luyánta, dass sie etwas besonderes ist und ihr eine bedeutende
Aufgabe zukommt. Das Vertrauen in sie, treibt die Protagonistin an, dem
Hilferuf zu folgen. Doch immer wieder hat sie Krisen, in denen sie an ihren
Fähigkeiten zweifelt. Sie muss sich immer wieder Behaupten, Niederlagen
verarbeiten und reift an dem Gelingen der an sie gestellten Aufgaben und
Erwartungen.
Die Kapitel, in denen Luyánta im Mittelpunkt steht, werden
immer mal wieder durch solche unterbrochen, in denen anderen Personen oder
Tiere ihre Ansichten und Meinungen kundtun. Vor allem nutzt der Autor dabei die
Möglichkeit, die nach Macht strebende Seite der unselben Welt darzustellen,
während Luyánta auf ihrer Seite Diversität erfährt.
Den Übergang zwischen den beiden Welten zu Beginn des Buchs ist
gelungen, aber die Auflösung der Herkunft von Luyánta fand ich wenig
ausgeführt, vermutlich weil hier Platz für die eigene Fantasie gelassen werden
sollte. Die Beschreibung der Wiederbegegnung mit den Familienangehörigen am Ende
des bereits mit dem Titel angekündigten Jahrs in der unselben Welt hätte ich mir
ausführlicher gewünscht.
Luyánta“ von Albrecht Selge ist eine Fantasy für Jugendliche
ab etwa zwölf Jahren, die aber auch Erwachsene anspricht. In einer teils
poetisch anmutenden Sprache schafft der Autor basierend auf einer alten Sage
eine moderne neue Welt. Die Lesenden begleiten die titelgebende Jugendliche auf
ihrem Weg zur Selbstverwirklichung, der für einige unvorhergesehene
Überraschungen und Wendungen bereithält. Die Fantasy ist für anspruchsvolle
Lesende geeignet.