Titel: Wilderer
Autor: Reinhard Kaiser-Mühlecker
Erscheinungsdatum: 09.03.2022
Verlag: S. Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Der Titel des Romans „Wilderer“ von Reinhard
Kaiser-Mühlecker ist teilweise metaphorisch zu sehen. In der Geschichte wildern
Hunde. Es ist schwierig, bei ihnen den einmal erwachten Trieb im Weiteren zu
unterdrücken. Wildernde Otter und Graureiher machen der Hauptfigur das Leben
schwer. Thema ist aber auch das sogenannte Wildern bei fremden Frauen als
Betrug in der Ehe.
Der Protagonist Jakob Fischer lebt auf einem Hof, der nach
dem Tod des Großvaters seiner Großmutter gehört. Permanent ist das Rauschen der
Fahrzeuge zu hören, die über die Autobahnbrücke fahren, die sich über das Tal
in der Nähe des Hofs spannt. Das Gehöft liegt in einer eher beschaulichen
Gegend im Westen Oberösterreichs. Das Bild auf dem Cover von Grace Helmer fasst
passend die Stimmung auf, die ich beim Lesen empfand.
Über die Kindheit von Jakob und seiner Familie hat der Autor
bereits den Roman „Fremde Seele, dunkler Wald“ verfasst, den ich nicht gelesen
habe. Ich konnte der Erzählung aber problemlos folgen. Jakob ist inzwischen ein
junger Mann, der seit Jahren den Hof in eigener Verantwortung führt, weil sein
Vater daran kein Interesse zeigt. Seine Großmutter ist zu krank, um das Haus zu
verlassen. Die Rolle der Mutter bleibt blass, sie agiert im Hintergrund und
führt den Haushalt. Nebenher arbeitet Jakob als Schulwart, um sich etwas dazu
zu verdienen, denn die Landwirtschaft trägt sich nicht mehr. Die Umsetzung
einiger seiner Ideen und auch solche vom Vater scheiterten bisher.
Dann lernt er bei einer Auftragsarbeit die Künstlerin Katja
kennen, die mit ihm trotz oder gerade wegen seiner spröden Art Kontakt hält aus
dem sich bald mehr entwickelt. Als Katja sich ihm für kurze Zeit als
Praktikantin anbietet, stellt sich heraus, dass sie auf ihre ganz eigene Weise
frischen Wind auf den Hof bringt. Josef springt über seinen beruflichen Schatten
und lässt sich darauf ein, was Katja ihm vorschlägt.
Jakob ist es gewöhnt, eingefahrenen Wege zu gehen, bei denen
sich zeigt, dass sie nicht zukunftsträchtig sind. Doch er weiß, dass er ein
guter und ausdauernder Arbeiter ist. Er leistet denen, die fragen, gerne einen
Gefallen, auf ihn kann man sich verlassen. Lob erwartet er keins dafür. Von
Beginn an ist der Misston zwischen ihm und seinem Vater zu spüren. Jakob ist
mit wenig zufrieden. Ein Kasten Bier unter dem Bett und klassische Musik über Kopfhörer
bei der Arbeit verschönern ihm den Tag. Mit Katja an seiner Seite muss er
seinen Alltag neugestalten. Schon einmal hat er eine Beziehung geführt. Daraus
resultiert ein beständiges Misstrauen, das es ihm erschwert, sich auf eine neue
Partnerin einzulassen.
Das Gefühl, ausgenutzt zu werden, verlässt ihn nie. Es gibt
Momente, in denen er sich hilflos fühlt und sich aus seiner Resignation heraus
eine solch große Wut entsteht, die dann gegenüber Lebewesen zum Ausdruck kommt.
Diese Zeiten bilden einen zentralen Punkt im Roman. Die Folgen seines Zorns führen
Jakob gedanklich im Kreis, denn sie führen ihn wieder zu seiner Machtlosigkeit
zurück.
Die Geschichte thematisiert den Alltag in der Landwirtschaft
mit seinen verschiedensten Möglichkeiten, Erträge zu erwirtschaften unter den
vorgegebenen staatlichen Bedingungen und der Nachfrage des Verbrauchers. Man
spürt dem Roman an, dass der Autor sich in diesem Metier auskennt, denn seine
Schilderungen wirken lebendig und authentisch. An Jakob werden immer wieder
neue Herausforderungen herangetragen, er ist nie ohne Arbeit, die er meist
gelassen erledigt. Intensiv vermittelt der Autor das Hadern Jakobs mit dem
Schicksal und der damit verbundenen inneren Auseinandersetzung. Hier und dort deutet
er an, dass die Geschichte in Zeiten von Corona spielt.
Reinhard Kaiser-Mühlecker beschreibt in seinem Roman
„Wilderer“ das Leben auf einem Hof am Rand einer Kleinstadt, der von dem jungen,
wortkargen Landwirt Jakob geführt wird. Die eigenen Erfahrungen des Autors
lassen die Geschichte real wirken. Im Mittelpunkt stehen die Chancen und
Möglichkeiten, aber auch die damit verbundenen Probleme beim Ausbrechen aus
eingefahrenen Rollen. Gerne empfehle ich das Buch weiter.