Sonntag, 3. April 2022

Rezension: Die Frauen vom Reichstag - Stimmen der Freiheit von Micaela A. Gabriel

 

*Werbung*
Die Frauen vom Reichstag - Stimmen der Freiheit
Autorin: Micaela A. Gabriel
Broschiert: 480 Seiten
Erschienen am 22. März 2022
Verlag: Rowohlt Polaris

----------------------------------------

Am 4. Februar 1919 steigt Marlene von Runstedt in den Zug von Berlin nach Weimar, um dort als eine der ersten 37 gewählten Parlamentarierinnen an den Sitzungen der Nationalversammlung teilzunehmen. Die Verwirklichung dieses Traumes ist das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit, bei der sie schwierige Entscheidungen treffen und ihre privaten Wünsche zurückstellen musste. Auch die Schauspielerin Sonja Grawitz reist mit. Die ehemalige Schulfreundin von Marlene ist inzwischen zu ihrer Rivalin geworden. Sie vertritt nicht nur gänzlich andere politische Ansichten, sondern die beiden lieben auch schon lange denselben Mann.


Im Prolog erfuhr ich, dass sowohl Marlene als auch Sonja erfolgreich kandidiert haben und ihnen der Einzug in die Nationalversammlung gelungen ist. Danach springt die Geschichte zwischen den Ereignissen im Jahr 1918 und verschiedenen Stationen in den zwanzig Jahren davor hin und her. So erhielt ich Einblicke, was in den Monaten vor der Wahl geschah, aber auch in die Lebenswege der beiden Frauen. Dabei erfuhr ich viel über die politische Situation und die Rechte der Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts und welche Hürden es als Frau auf dem Weg zu politischem Erfolg zu überwinden galt.

Marlenes Vater ist ein Rechtsprofessor, der sie auf ihren Weg zur Juristin stets unterstützt hat. Zu jener Zeit konnte man als Frau jedoch nur an wenigen Universitäten studieren und die nötigen Prüfungen ablegen. Marlenes Weg führt sie unter anderem nach Paris und München. Sonja hingegen stammt aus einfachen Verhältnissen. Als Vorführdame im Modegeschäft hat sie das nötige Geld verdient, um Schauspielunterricht zu nehmen und sich auf der Bühne einen Namen zu machen.

Die Wege der beiden kreuzen sich immer wieder mit Justus von Ostwalds, den sie zu Schulzeiten als Bruder einer Mitschülerin kennenlernen. Das Liebesdreieck nahm mir zwischendurch ein wenig zu viel Raum ein, verdeutlicht aber gut den Zwiespalt, in dem die Beteiligten steckten: Marlene müsste ihre eigene Karriere für ein Zusammensein mit ihm opfern, und Sonja, die dazu bereit wäre, stammt in den Augen seiner Familie aus der falschen Gesellschaftsschicht.

Mich hat bei der Lektüre vor allem begeistert, wie viele politische und gesellschaftliche Einblicke ich erhielt. Marlene und Sonja sind fiktive Charaktere, die jedoch auf den Biographien der 37 ersten Parlamentarierinnen entwickelt wurden. Die Autorin hat die Ergebnisse ihrer umfangreichen Recherchearbeit gelungen einfließen lassen: Ich erhielt viele interessante Informationen, gleichzeitig bleibt die Geschichte ganz klar ein Roman mit dem Anspruch, zu unterhalten. Sehr gerne empfehle ich das Buch an historisch interessierte Leser:innen weiter, die mehr über die Anfänge des Frauenwahlrechts und die Zeit erfahren möchten, in welcher die ersten Parlamentarierinnen ihre Arbeit aufnahmen.

-->