Lucy lebt mit ihrem Mann Daniel und ihren Kindern Billie und Fin in einem abgelegenen Touristenort an der zerklüfteten Südwestküste Englands. Eines Mittags ist sie allein zu Hause, als sie die Nachricht erhält, dass die „Lazy Susan“, das Boot der Familie, auf dem Meer treibend gefunden wurde. War es etwa nicht richtig festgemacht? Aus Lucys Unruhe wird bald Bestürzung, als sie erfährt, dass Daniel nicht wie geplant in seiner Firma ist. Während ein Sturm herannaht, läuft die Suche auf offener See an. Dann stellt sich heraus, dass auch Lucys Kinder nicht dort sind, wo sie sein sollten. Ein verzweifelter Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der dominiert wird von der Frage, was auf der „Lazy Susan“ vorgefallen ist.
Ich habe mich sehr über einen neuen Thriller aus der Feder von Sam Lloyd gefreut, nachdem mich sein Debüt „Der Mädchenwald“ vor anderthalb Jahren begeistern konnte. Gleich auf der ersten Seite wendet sich eine unbekannte Stimme direkt an die Protagonistin Lucy und spricht von Schmerzen, die sie ihr zufügen wird. Doch diese Botschaft erhielt nur ich als Leserin. Danach wechselt die Perspektive zu Lucy und ich erlebte hautnah mit, wie die finanziellen Sorgen, die sie umtreiben, plötzlich zum kleinsten Problem werden und ihr ganzes Leben zerbricht.
Der Autor schreibt sehr atmosphärisch und schafft starke Bilder: Während ein schwerer Sturm heranrollt und das Meer aufwühlt, suchen Helfer nach Lucys Familie, die vermutlich auf dem Boot war. Aus Lucys Handlungen spricht pure Verzweiflung und ich bangte mit, zu welchem Ergebnis die Suche führen wird. Die Kapitel aus Sicht von Detective Inspector Abraham Rose, der mit der Untersuchung der Vorfälle betraut wird und dem apokalyptische Bibelzitate im Kopf herumschwirren, verstärken die bedrohliche Stimmung noch weiter.
Lucy erlebt eine konstante Abwärtsspirale, bei der eine schreckliche Nachricht die nächste jagt und die Situation immer tragischer wird. Die Suche nach Antworten auf das Warum ist jedoch wenig ergiebig und die Situation erscheint ausweglos. Hilflos muss Lucy zusehen, wie ihr Leben zerbricht. Diese Chronik einer Tragödie ist harter Lesestoff, bei dem ich persönlich eine Möglichkeit für die Protagonistin vermisste, irgendwie Einfluss zu nehmen.
Weitere Einschübe der Stimme von der ersten Seite machten mir klar, dass Lucy noch mehr Leid erwarten wird. Erst im letzten Drittel des Buches kommt allmählich Licht ins Dunkel, was die sich aufdrängenden Fragen angeht. Aus meiner Sicht hat der Autor beim Versuch, eine möglichst undurchsichtige Handlung zu schaffen, für ein Ungleichgewicht gesorgt, bei dem ich lange nichts als Fragezeichen im Kopf hatte und plötzlich alles sehr schnell geht und eine Erklärung geliefert wird, bei der ich die Raffinesse vermisst habe. Mir hat die Gelegenheit zum Miträtseln gefehlt. Wer Lust auf einen atemlosen, tragischen und sehr atmosphärisch erzählten Thriller hat, für den könnte „Sturmopfer“ genau das Richtige sein.