Dienstag, 17. Mai 2022

Rezension: Kurioses über euch Menschen von Simon Stephenson

 


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Kurioses über euch Menschen
Autor: Simon Stephenson
Übersetzerin: Elisabeth Mahler
Hardcover: 480 Seiten
Erschienen am 17. Mai 2022
Verlag: Kindler

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Wir schreiben das Jahr 2054. Jared arbeitet als Zahnarzt in Ypsilanti, Michigan. Diesen Job hat er erhalten, weil kein Mensch ihn ausüben will. Er hingegen ist ein Bot: Auf den ersten Blick sieht er wie ein Mensch aus, aber er hat keine Gefühle und ist im Labor in kürzester Zeit zum Erwachsenen herangereift. Eines Tages taucht eine Zahl in seiner Zahlencloud auf, die nicht mehr verschwinden will und die Menge der noch zu kontrollierenden Zähne bis zu seinem Ruhestand angibt. Er sucht gleich das Referat für Robotik auf, die ihm jedoch sagen, dass dies keine Funktionsstörung ist, die eine Löschung seiner Festplatte rechtfertigen würde.

Dr. Gundenstein, der Arzt, mit dem er sich die Praxisräume teilt, hat einen anderen Ratschlag. Jared soll sich einen der alten Filme ansehen, die sonst nur Nostalgiker schauen. Denn im Gegensatz zu den neuen Filmen, in denen es fast ausnahmslos darum geht, dass Killerbots von mutigen menschlichen Außenseitern gestoppt werden, geht es hier um Gefühle. Es passiert das Unglaubliche: Jared weint! Seine neu entdeckten Gefühle wecken in ihm den Wunsch, einen Film über einen Bot zu schreiben, der ebenfalls Gefühle hat. Dazu macht er sich auf den Weg nach Los Angeles, wo er das harte Filmbusiness kennenlernt und sich verliebt.

Jared wendet sich in der Ich-Perspektive direkt an seine Leser:innen, um ihnen seine Geschichte zu erzählen, die zu seiner Zeit als Zahnarzt in Ypsilanti beginnt. Er hat einen nüchternen Erzählstil mit vielen kurzen Sätzen und Ausrufen wie „Ha!“ und „Geht gar nicht!“, die er sich bei den Menschen abgeschaut hat. Die Idee hat mir gefallen, die Umsetzung ist jedoch gewöhnungsbedürftig, auch wenn Jared im Laufe der Zeit noch etwas flüssiger in seinen Berichten wird.

Als Außenstehender beobachtet Jared die Menschen mit ihren Verhaltensweisen, ihren Normen und Werten und ihren expliziten und impliziten Regeln ganz genau. Seine Ausführungen sind amüsant und kurzweilig. Eine zentrale Rolle spielen Gefühle, die er nach kurzer Zeit selbst zu spüren beginnt und mithilfe eines Gefühlsrads zuzuordnen versucht. Der Fokus bleibt auf Jareds Erlebnissen. Am Rande erwähnt er zwar beispielsweise, dass der Mond versehentlich verbrannt wurde und es Neuseeland nicht mehr gibt, allzu viel erfuhr ich aber nicht über die Ereignisse der vorherigen Jahre und die Gesellschaftsstruktur.

Dr. Gundenstein hat vor seiner Arztkarriere einige Semester Filmwissenschaften studiert und steckt Jared nach kurzer Zeit mit seiner Begeisterung für Filme an, insbesondere solche aus alten Zeiten, in denen keine Killerbots die Menschheit umbringen wollen. Dadurch entsteht Jareds Wunsch, selbst einen Film zu schreiben, durch welchen die Menschen Bots mit anderen Augen sehen sollen. Zwischen den Kapiteln in der Ich-Perspektive gibt es immer wieder Szenen, die als Drehbuch geschrieben sind und die damit ebenfalls auf das Filmthema einzahlen.

Die Geschichte führte mich über einen schrägen Roadtrip nach Los Angeles, wo Jared Einblicke in das Filmbusiness erhält und sich in die Kellnerin Amber verliebt. Ich fieberte mit, ob er seinen Traum von einem eigenen Film verwirklichen kann und ob er sich traut, Amber zu gestehen, dass er ein Bot ist. Ein wenig Spannung kommt auf, weil Jared sich stets der Gefahr bewusst ist, dass er vom Referat für Robotik aufgespürt und gelöscht oder gar verbrannt werden könnte. Bis zum Ende hin bleibt es abwechslungsreich und interessant. Lasst euch auf den ungewöhnlichen Schreibstil und den besonderen Protagonisten ein, dann werdet ihr mit einer Story belohnt, die abseits des Mainstreams zu unterhalten weiß!

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