Titel: Kaltherz
Autor: Henri Faber
Erscheinungsdatum: 18.05.2022
Verlag: dtv (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783423220125
Im Buch „Kaltherz“ von Henri Faber ist das Thema Kindesentführung
der Hintergrund für die spannenden Ereignisse des Thrillers. Innerhalb der fünf
Buchteile der Geschichte sind die Kapitel kurzgehalten und wechseln zwischen
vier Hauptfiguren. Jede von ihnen erzählt in der Ich-Form. Die fünfjährige
Marie ist eine von ihnen. Ihre Schilderungen sind besonders berührend, denn als
Entführungsopfer konfrontiert sie die Lesenden mit ihrer augenblicklichen Lage,
aus der heraus sie keine Möglichkeit hat, diese zu verändern. Ihr Innerstes ist
aufgewühlt und sie glaubt, dass ihr kaltes Herz nicht mehr schlägt, obwohl sie
nicht gestorben ist. Das geschlossene und vergitterte Fenster auf dem Cover vermittelt
beim Betrachten Unwohlsein, denn es schließt nicht nur die Außenwelt aus,
sondern riegelt vor allem den dahinterliegenden Raum uneinsehbar, auch
symbolisch gemeint, nach außen hin ab.
Clara Lipmann ist die Mutter von Marie und eine weitere
Protagonistin. Sie hat ihre Tochter nur für kurze Zeit im Auto zurückgelassen.
Als sie zurückkommt, ist Marie verschwunden. Inzwischen sind einige Monate
vergangen und es gibt immer noch keine Spur zur Entführung ihrer Tochter,
Lösegeld wurde nie gefordert. Sie gibt sich aufgrund ihres Verhaltens die
Schuld für das Verbrechen und ist verzweifelt.
Erst bei weiterem Lesefortschritt konnte ich hinter die
Fassade ihres Manns Jakob blicken, ebenfalls ein Ich-Erzähler des Thrillers.
Als Leserin war ich ständig im Zwiespalt, ob seine Gefühle für seine Frau und
seine Tochter echt sind, denn im Berufsleben gibt er sich geschäftstüchtig.
Sein Motto ist es, dass er alles schafft, wenn er nur will.
Zu Beginn des Thrillers ist die später mit dem Fall betraute
Kommissarin Kim Lansky noch aufgrund einer Suspendierung außer Dienst gestellt.
Sie ist die letzte, hier zu erwähnende Protagonistin. In der Vergangenheit hat
sie schon in mehreren Abteilungen der Kriminalpolizei gearbeitet. Dabei lag es
ihr besonders am Herzen, pädophile Täter ausfindig zu machen. Sie kommt aus
einfachen Verhältnissen und ist stolz auf ihre Anstellung als Kommissarin. Ihre
Meinungen sind unkonventionell und manches Mal eckt sie an. Ihre Spontanität
trägt dazu bei, dass Ihre Handlungen unvorhersehbar sind. Von einem früheren
Jugendfreund wird sie wieder in Dienst genommen und als ihr Vorgesetzter gibt
er ihr eine letzte Chance, sich zu bewähren.
Henri Faber flicht geschickt Geschichten am Rande ein, von
denen ich nicht wusste, ob sie die Ermittlungen voranbringen, die mich aber dazu
brachten, selbst über ein weiteres Vorgehen nachzudenken. Immer wieder legt der
Autor neue falsche Fährten aus, die die Spannungskurve hochhielten. Der Wechsel
der Perspektive brachte manchen Cliffhanger, die einen Lesesog erzeugten. Eine
große Wendung im Mittelteil überraschte nicht nur mich, sondern auch die
meisten Figuren des Thrillers.
In „Kaltherz“ beweist sich Henri Faber als Meister des
Verschleierns der fiktiven Realität. Durch die Beschreibung des Vorspielens von
Gefühlen führte er mich als Leserin mehrfach hinters Licht. Die Impulsivität
der ermittelnden Kommissarin Kim Lansky ließ einige Überraschungen in der
Handlung zu. Diesen hochspannenden Thriller empfehle ich gerne an Lesende des
Genres weiter.