Titel: Das Tor zur Welt - Träume
(Die Hamburger Auswandererstadt Band 1 von 2)
Autorin: Miriam George
Erscheinungsdatum: 19.07.2022
Verlag: rororo (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch mit gestalteten Klappen
ISBN: 9783499009211
In der Auswandererstadt in Hamburg-Veddel, auch BallinStadt
genannt, herrschte vor über 100 Jahren emsiges Treiben, das Miriam Georg in
ihrem zweiteiligen Roman „Das Tor zur Welt“ einfängt. Im ersten Band mit dem
Untertitel „Träume“ erzählt sie von zwei Frauen, die aus unterschiedlichen
gesellschaftlichen Schichten kommen. Ebenso verschieden sind ihre Vorstellungen
von ihrer Zukunft. Sie lernen sich im Jahr 1911 während ihrer Arbeit in der
Auswandererstadt kennen.
Zunächst führte die Autorin mich als Leserin in das Alte
Land im Jahr 1892. Hier lebt die 14-jährige Ava de Buur, eine der beiden
Protagonistinnen, auf dem Moorhof mit denjenigen zusammen, die sie als ihre
Familie ansieht. Ihre Eltern haben sie zurückgelassen, als sie nach Amerika
ausgewandert sind. Die Arbeit ist hart, die Erträge gering. Dann kommt ein Unglück
zum anderen und plötzlich findet Ava sich allein in Hamburg wieder. Sie
beschließt zum Moorhof zurückzukehren.
Nach einem Zeitsprung in das Jahr 1911 lernte ich auch
Claire Conrad kennen, eine Frau Ende Zwanzig und die zweite Hauptfigur. Ihre
Eltern sind vor Jahren aus Amerika nach Hamburg zurückgekehrt. Sie kommt aus
gutbetuchtem Haus, aber inzwischen ist ihr Vater verstorben und ihre Mutter
leidet darunter, dass Claire keinen standesgemäßen Ehemann findet. Claire und
Ava, die jetzt in Hamburg lebt, begegnen sich, trotz ihrer sehr
unterschiedlichen Lebenswege, in der Auswandererstadt. Mit der Zeit wissen sie
sich gegenseitig zu schätzen.
Die beiden Protagonistinnen des Romans kommen aus
verschiedenen Gesellschaftsschichten. Beide werden auf unterschiedliche Weise daran
gehindert, ihre Träume zu verwirklichen. Während Ava sich wünscht, ihre Eltern
in Amerika zu suchen, möchte Claire an der Seite des von ihr geliebten Mannes
die Welt bereisen. Ava fehlt zur Verwirklichung ihres Traums eindeutig das
Geld, bei Claire ist der Verhinderungsgrund nicht ganz so einfach. Sie ist an
die Konventionen der angesehenen Gesellschaft von Hamburg gebunden, auf deren
Einhaltung ihre Mutter Wert legt und sich dazu sogar Unterstützung holt. Claire
ist eine Rebellin, die sich wieder und wieder gegen die an sie gerichteten
Ansprüche auflehnt. Dennoch wünscht sie sich manchmal, dass sie über ihren
Schatten springen könnte, um dann liebevoller behandelt zu werden. Für eine von
beiden rückt der Traum zum Greifen nah, bis er von der anderen zerstört wird.
Während die sanftmütige Ava von Beginn an meine Sympathie
hat, ist es mir deutlich schwerer gefallen eine ebensolche für die leicht
aufbrausende, verwegene Claire zu entwickeln. Sie ist störrisch, manchmal
unbelehrbar und doch erweckte sie mein Mitleid aufgrund des starren Konzepts,
dem sie zu folgen hat. Daraus ist ersichtlich, dass sich nicht alles Glück
durch genügend Geld erkaufen lässt.
Miriam Georg erweckt im weiteren Verlauf des Romans die
quirlige Auswandererstadt zum Leben, was ich als Thema sehr interessant fand.
Sowohl Ava als auch Claire finden hier ein Betätigungsfeld. Dazu reihen sich als
Figuren noch ein Manager der BallinStadt und ein Fotograf ein, deren Berufe
jeweils nochmal einen anderen Gesichtspunkt einbringen. Ich fand es ansprechend,
darüber zu lesen, wie viele Menschen vor ihrer Abreise in die Neue Welt
Unterkunft finden und verköstigt werden mussten. Auch eine in ihren
Einzelheiten sehr berührende Reise nach Amerika wird von der Autorin
geschildert.
„Das Tor zur Welt – Träume“ ist der erste Teil einer Dilogie
von Miriam George mit ergreifenden Porträts zweier fiktiver Protagonistinnen
aus verschiedenen Gesellschaftsschichten, die sich in der Auswandererstadt
Hamburg bei ihrer Arbeit kennenlernen. Unterschiedliche Wege haben sie hierhin
geführt und ein großer Cliffhänger zum Ende ließ mich als Leserin ungeduldig
auf die Fortsetzung wartend zurück mit der Frage, ob es eine glückliche Zukunft
für beide geben kann, vielleicht sogar gemeinsam. Sehr gerne empfehle ich den
Roman weiter.