Freitag, 5. August 2022

Rezension: Die karierten Mädchen von Alexa Hennig von Lange

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Die karierten Mädchen (Band 1 von 3)
Autorin: Alexa Hennig von Lange
Erscheinungsdatum: 02.08.2022
Verlag: Dumont (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783832181680
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Der Roman „Die karierten Mädchen“ ist der erste Band einer Trilogie, die inspiriert ist von der Lebensgeschichte der Großmutter der Autorin Alexa Hennig von Lange. Ende der 1920er Jahre ist die Protagonistin Klara stolz über eine Stelle als Hauswirtschaftslehrerin in einem Kinderheim in Oranienbaum. Einige Jahre später erhält sie die Leitung eines Frauenbildungsheims. Die Auszubildenden sollen einheitliche Arbeitskleidung tragen. In Anlehnung daran werden sie bald als „karierte Mädchen“ bezeichnet.

Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen. Einerseits erzählt die Autorin von Klara, die etwa um die Jahrhundertwende 91 Jahre alt und blind ist. Dennoch lebt sie weitgehend unabhängig im eigenen Haus. Ihr Mann ist vor vielen Jahren verstorben, aber ihre Kinder besuchen sie noch regelmäßig. Die Schwangerschaft ihrer Enkelin löst bei Klara verschüttete Erinnerung wach. Ihr kommt die Idee, auf Kassetten aufzunehmen, was sie in der Vergangenheit erlebt hat. Auf der zweiten Zeitebene konnte ich von Klara als junge Frau bei Antritt ihrer ersten Stelle lesen. Chronologisch setzt Alexa Hennig von Lange beide Handlungsebenen fort.

Die Autorin schreibt als allwissende Erzählerin. Dadurch erreicht sie eine gewisse Distanz zum Geschehen, die notwendig ist, um der Geschichte ihrer Großmutter einen breiteren fiktionalen Raum zu geben. Es ist für uns heute schwierig, Gründe für die Handlungen der damals Lebenden nachzuvollziehen. Unsere heutige Meinung über die vergangene Epoche beruht auf der Kenntnis vieler Fakten.

Klara trat ihre erste Stelle in der Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929 an. Sie war froh darüber, überhaupt eine Arbeit zu finden in ihrem erlernten Beruf. Aber bald schon geraten die Finanzen des Kinderheims in eine Schieflage und es kommt zu Entlassungen von Personal. Die Protagonistin hat die Idee dazu, sich auf die aufstrebende Partei der Nationalsozialisten zu stützen, die das Heim erhalten will, wenn die neuen Ideologien dort vermittelt werden.

Mit der Figur der Kindergärtnerin Susanne schafft die Autorin eine Person, mit der Klara ihren Standpunkt diskutiert. Susanne kommt aus einer betuchten Familie in Berlin und bringt einen anders gelagerten Blick auf die Machtverhältnisse mit. Durch Einflechten einer Erzählung rund um das jüdische Waisenkind Tolla, dessen Klara sich annimmt, bindet die Autorin zusätzlich die Geschichte der Judenverfolgung mit ein. Obwohl Klara sich und die unter ihrer Obhut stehenden vor weiteren Nöten bewahren möchte, sind ihre Entscheidungen aus moralischer Sicht im Nachhinein kontrovers zu sehen.

Alexa Hennig von Lange schreibt in ihrem Roman „Die karierten Mädchen“ behutsam und einfühlend. Gerne blickt sie hinter die Fassade ihrer Figuren, die sich ändern und weiterentwickeln, aus Sicht des Lesenden nicht immer zu deren Bestem, aber mit Konsequenzen. Auch aufgrund der einfließenden Lebenserinnerungen ihrer Großmutter gelingt es ihr, ein authentisches Bild der damaligen Zeit zu zeichnen. Das Buch ist der erste Teil einer Trilogie, deren Handlungszeit bis in die 1960er Jahre reicht. Schon jetzt freue ich mich auf die Fortsetzung und vergebe gerne eine Leseempfehlung für den vorliegenden Band. 

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