Grete Hansen lebt gemeinsam mit ihrer Mutter Wilhelmine auf einem Hof in der Elbmarsch. Dort arbeitet sie als Vogelwartin für die Naturschutzvereinigung. Ihr baldiger 50. Geburtstag bringt sie ins Grübeln rund um die Frage, wo sie in ihrem Leben steht. Als Wilhelmine in der Küche stürzt und bei ihr eine Herzmuskelentzündung diagnostiziert wird, kontaktiert Grete ihre Schwester Freya und ihre erwachsene Tochter Anne. Beide haben das Leben auf dem Hof hinter sich gelassen und woanders etwas Neues aufgebaut. Nun machen sie sich in Anbetracht der schlechten Nachrichten auf den Weg in die Heimat. Das Verhältnis der Frauen zueinander ist distanziert, viel Unausgesprochenes steht zwischen ihnen. Können die gemeinsamen Tage auf dem Hof für eine Veränderung sorgen?
Das Buch ist abwechselnd aus den Perspektiven der vier Hansen-Frauen geschrieben, die in ihrem Leben an ganz unterschiedlichen Punkten stehen. Ich lernte sie, ihre Vergangenheit und ihre Wünsche im Laufe der Zeit immer besser kennen. Das Tempo ist ruhig, sodass ich tief in die Geschichte eintauchen konnte. Atmosphärische Beschreibungen des Marschlandes brachten mich beim Lesen in die passende Stimmung.
Wilhelmine hat ihr Leben lang hart gearbeitet, um sich und die Kinder über Wasser zu halten, denn ihr Mann ist ertrunken, als die beiden noch klein waren. Dennoch waren Grete und Freya für die Dorfgemeinschaft die Lumpenschwestern. Grete ist dennoch im Dorf geblieben, ihre Studienpläne hat sie an den Nagel gehängt, als sie schwanger wurde. Wer Annes Vater ist, hat sie nie verraten. Dabei hegt Anne schon lange den Wunsch, ihren Vater kennenzulernen. Sie studiert inzwischen in Bremen Environmental Scienes. Freya hingegen hat das Dorf als junge Erwachsene überstürzt verlassen. In Berlin hat sie Karriere gemacht und arbeitet inzwischen als CEO. Die Rückkehr in die Heimat kommt ihr als Fluchtmöglichkeit recht, denn sie ist frisch getrennt und ihrer Firma droht ein Skandal.
Durch zahlreiche Andeutungen wird schnell klar, dass jede der vier Frauen ein Geheimnis vor den anderen hat. Außerdem macht jede von ihnen sich viele Gedanken um ihre Zukunft und die Beziehung zueinander. Alle hegen den Wunsch nach einem stärkeren Zusammenhalt, doch dabei stehen sie sich durch ihre festgefahreren Verhaltensmuster und automatische Reaktionen selbst im Weg. Durch die gemeinsame Zeit auf dem Hof kommt Bewegung in das Beziehungsgeflecht. Die Gedankenspiralen der Frauen hatten für meinen Geschmack zu viele Wiederholungen ohne Fortschritt. Auf Aussprachen und Entscheidungen musste ich als Leserin lange warten, am Ende ging dann alles sehr schnell.
"Die Rückkehr der Kraniche" ist ein ruhiger Familienroman, der seinen Fokus auf die ausführliche Selbstreflektion der vier Protagonistinnen und ihrer Beziehung zueinander legt. Ich empfehle das Buch an alle weiter, die eine intensive und berührende Lektüre mögen!