Rezension von Ingrid Eßer
In ihrem Roman „Triskele“ stellt Miku Sophie Kühmel die
familiäre Beziehung dreier Schwestern vor dem Hintergrund von fünf Jahrzehnten
deutscher Geschichte in den Fokus. Die Geschwister haben dieselbe Mutter, die aber
Ende Februar 2020 freiwillig aus dem Leben geschieden ist. Ihre verschiedenen
Väter sind ihnen unbekannt. Blickt man auf die verschiedenen Lebenswege der
drei Schwestern Mercedes, Mira und Matea kann man diese in Bezug auf die Form einer
Triskele sehen. Denn auch sie bewegen sich vom gemeinsamen Mittelpunkt in
unterschiedliche Richtungen weg. Die Geschichte erzählt von ihren
Gemeinsamkeiten, betrachtet aber auch ihre Unterschiede.
Die Geburtstage der Geschwister liegen jeweils etwa 16 Jahre
auseinander. Dadurch erlebten die beiden ältesten die Geburt der nächstjüngeren
Schwester in ihrer Teenagerzeit. Während sie auf der Suche nach Identität
waren, kam ihr eingenommener Platz in der Familie ins Wanken.
Mercedes als ältestes Kind wurde 1972 in der Altmark geboren.
Jetzt wohnt sie genauso wie die 32-jährige Mira in Berlin. Kurze Zeit nach
Miras Geburt wurde Deutschland wiedervereinigt und der Zeitgeist änderte sich.
Zielstrebig hatte Mercedes einen aus vernunftgründen gewählten Beruf im Blick. Mira
probierte als junge Frau beruflich einiges aus. Beide mögen den Kontakt zu
Menschen, aber Matea flüchtet sich mit ihren jetzt 15 Jahren in eine
Online-Fantasywelt. Als sie mit Mercedes kurz nach dem Tod der Mutter
zusammenzieht bleibt sie ihr gefühlsmäßig fern und verschlossen.
Miku Sophie Kühmel schaut nicht nur auf die Empfindungen der
drei Geschwister füreinander, sondern zeigt ebenfalls den Einfluss des Wandels
der gesellschaftspolitischen Situation auf den Lebensweg der Schwestern. Der
Tod der Mutter fordert von den Geschwistern eine Verarbeitung des Geschehens.
Kurze Zeit nach dem Begräbnis schränkt das Coronavirus die
Handlungsmöglichkeiten der Protagonistinnen im Alltag und beruflich ein, so
dass sie sich nochmals auf neue Gegebenheiten einstellen müssen. Die Schwestern
passen sich den jeweiligen Umständen an. Auch in der Sprache weiß die Autorin auf
einem bildungssprachlichen Niveau die Veränderungen über die Jahrzehnte darzustellen.
Untereinander bewundern sich die Geschwister für bestimmte
Fähigkeiten und Wissen, die sie selbst nicht besitzen. Sie reflektieren
kritisch ihr eigenes Leben und respektieren sich. Und dennoch gibt es immer
wieder Situationen, in denen sie im Umgang miteinander an ihre Grenzen stoßen. Jede
von ihnen hat sich längst abgeseilt von der Mutter, deren Tod ihre bewusste
Entscheidung aufgrund einer Krankheit war. Doch genau durch den verbleibenden
Faden, zwar unsichtbar, aber deutlich zu spüren, sind sie immer verbunden. Wie
in einer Spirale der Triskele entfernen sie sich voneinander und nähern sich
wieder an.
In ihrem Roman „Triskele“ schreibt Miku Sophie Kühmel über
das Jahr dreier Schwestern nach dem Tod der Mutter. Im monatlichen Wechsel
steht jeweils eine von ihnen als Ich-Erzählerin im Fokus und vergleicht, wägt
ab, blickt zurück auf ihr eigenes Leben und das der Geschwister. Dabei werden
sehr unterschiedliche Themen angeschnitten, wobei aus den Gedanken und dem
Handeln der Drei immer ein Zuneigung füreinander spürbar ist trotz
psychologischer Distanz. Gerne empfehle ich den Roman uneingeschränkt weiter.