Im Roman „Die Rückkehr der Kraniche“ nimmt Romy Fölck die
Lesenden mit in die Elbmarsch. Dort lebt seit Jahrzehnten die Familie Hansen in
einem alten Resthof in einem kleinen Ort an der Binnenelbe. Großmutter
Wilhelmine und ihre älteste Tochter Grete leben unter einem Dach, aber in zwei
getrennten Wohnungen. Gretes Schwester Freya ist als junge Frau nach Berlin
gezogen und hat sich dort ein Leben aufgebaut und Anne, Gretes Tochter Anne wohnt
während ihres Studiums in Bremen. Aus beruflichen Gründen und, um ihrem
heimlichen Wunsch zu folgen, erwägt Grete die Heimat zu verlassen. Durch den Sturz
mit anschließender Bewusstlosigkeit ihrer Mutter kommen ihre Pläne ins Wanken.
Beeindruckend sind die Schilderungen der Natur und der
Umgebung, in dem der Resthof liegt. Die fast 50-jährige Grete genießt jeden Tag
in ihrem Beruf als Vogelwartin. Als Jugendliche hat sie von einem Studium
geträumt und davon, die Welt zu sehen. Sie ist in einfachen Verhältnissen
aufgewachsen. Ihr Vater ist gestorben als sie vier Jahre alt war. Den Namen des
Vaters ihrer Tochter hat sie verschwiegen, so dass die Dorfgemeinschaft auch
hierüber genug zu tuscheln hatte. Zwar ist der Zusammenhalt im Ort gegeben,
aber wenn man sich außerhalb ungeschriebener Regeln bewegt, steht man schnell
am Rand.
Als festgestellt wird, dass der Zustand von Wilhelmine
kritisch ist, treffen die Hansen-Frauen sich auf dem Resthof. Wie Grete erst
sehr viel später erfährt, lassen Freya und Anne dabei eigene Sorgen an ihrem
Wohnort zurück. Untereinander herrscht eine angespannte Atmosphäre, weil
niemand von ihnen über bestehende Probleme oder Vorstellungen für die Zukunft
reden möchte und gleichzeitig über der Vergangenheit lange Verschwiegenes liegt.
Die Autorin macht für die Lesenden sichtbar, was den Familienmitgliedern verborgen
bleibt. Dadurch konnte ich die widerstreitenden Gefühle gut nachvollziehen, die
Wilhelmine, Grete, Freya und Anne beschäftigen. In kleinen Schritten öffnen sie
sich in einem schleichenden Prozess mit Rückschlägen füreinander.
Das naturverbundene Setting des Romans „Die Rückkehr der
Kraniche“ von Romy Fölck wirkte entschleunigend auf mich als Leserin. Dennoch
ist es kein Rundum-Wohlfühlroman, denn für die vier Frauen der Familie Hansen,
die in der Geschichte im Mittelpunkt stehen, ist es ein langer Weg sich
einander anzunähern und die seit langem bestehenden Differenzen zu überwinden sowie
das verlorene Vertrauen zueinander zurück zu gewinnen. Und fast ist es dafür zu
spät. Gerne empfehle ich das Buch an naturverbundene Leser von schicksalhaften
Erzählungen weiter.