Rezension von Ingrid Eßer
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In den Psychothrillern „Fake“ beziehungsweise „Fakt“, die
inhaltsgleich sind, gibt Arno Strobel auf beeindruckende Weise ein Beispiel für
die Möglichkeiten der Beeinflussung unserer Wahrnehmung der Realität. Daher spielt
der Untertitel der beiden Bücher „Wer soll dir jetzt noch glauben?“ an. Das
Cover spiegelt wider, dass nur durch den Austausch eines Buchstabens im Wort aus
Wahrheit Lüge wird.
Der Protagonist Patrick Dostert ist 37 Jahre alt,
verheiratet und sitzt nach eigenen Angaben unschuldig in der JVA ein. Der
größte Teil des Buchs besteht aus Patricks Erzählung der zurückliegenden
Ereignisse. Allerdings schildert er die Geschehnisse in der dritten Person,
weil er diese Form für angenehmer zu lesen hält.
Patrick wird beschuldigt, zwei Frauen ermordet zu haben. Er
erzählt, welche Begebenheiten Schritt für Schritt dazu führten, dass er als
einziger Tatverdächtiger in das Visier der polizeilichen Ermittlungen gerät.
Vergeblich und zunehmend verzweifelt, versucht er Erklärungen und Beweise
vorzubringen, die ihn entlasten. Seine Kollegen, seine Freunde und Bekannten
und schließlich auch seine Frau beginnen, seine Unschuld in Frage zu stellen.
Die Spannung stieg zunehmend. Als Lesende war ich auf der
Seite von Patrick und hoffte darauf, dass er eine Möglichkeit findet, sich zu
entlasten. Was mich aber störte, war der Prologs, der thematisch zwar passte,
sich aber nicht in die Vorgänge einordnen ließ. Immer wieder sind Szenen
eingefügt, die durch ihre Kursivschrift auffallen. Darin schildert Patrick die Umstände,
unter denen er gegenwärtig in der JVA lebt, seine schwere Kindheit sowie seine
Gefühle bei alldem.
Der Autor spielt im Buch mit dem Potential des sogenannten
Deepfakes, das sind manipulierte Bild-, Audio- oder Videoaufnahmen, die echt
wirken. Aber „Fake/Fakt“ wäre kein Psychothriller von Arno Strobel, wenn der
Ablauf der Handlung darin bestände, dass der Beschuldigte viel Zeit benötigt,
seine Unschuld zu beweisen, es ihm dann zur Freude der Lesenden gelingt und das
Buch dann beendet wäre. Nein, so einfach ist es nicht, denn dass Täter – Opfer
– Ermittlerspiel ist weitaus verschlungener und es ist viel schwieriger Fake von
Fakt zu unterscheiden als zunächst ersichtlich ist. Auch der Prolog fügt sich
zum Schluss in das vergangene Geschehen ein.
Der besondere Reiz der Geschichte liegt darin, dass man sich
gut in die Rolle des Patrick hineindenken kann. Als Leserin schien es mir, dass
er in einer harmonischen Ehe lebt und seiner Arbeit einer leitenden Position in
einem Logistikunternehmen gerne nachkommt. Es ist erschreckend, was ihm
geschieht und ich fragte mich, ob das jederzeit Jedem geschehen könnte. Das
Wissen, dass betrügerische News in den Sozialen Medien dazu führen können, Fakten
zu verdrehen, macht es nicht einfacher, zwischen die realen Ereignisse von Vortäuschungen
zu unterscheiden.
Mit dem Psychothriller „Fake“, der auch unter dem Titel „Fakt“
erscheint, gelingt Arno Strobel die glaubhafte Schilderung eines Verbrechens, bei
dem es schwierig ist, Tatsachen von Vorspiegelungen zu unterscheiden. Neue Wendungen
führen die miträtselnden Lesenden auf manche falsche Fährte und steigern die
Spannung bis zum Ende. Über allem steht die große Frage nach dem Motiv des Täters. Das Buch ist ein Must-Read für alle Strobel-Fans und
meine Empfehlung an diejenigen, die gerne Psychothriller lesen.