Donnerstag, 13. Oktober 2022

Rezension: Unsre verschwundenen Herzen von Celeste Ng

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Unsre verschwundenen Herzen
Autorin: Celeste Ng
Übersetzerin: Brigitte Jakobeit
Erscheinungsdatum: 05.10.2022
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783423290357
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In ihrem Roman „Unsre verschwundenen Herzen“ beschreibt Celeste Ng, warum die Protagonistin Margaret Miu, die Mutter von Bird, in einer nahen Zukunft ihren Sohn in der Obhut ihres Ehemanns zurücklässt. Sie hat dabei das Bestmögliche für Bird im Sinn und ist damit nicht die Einzige, die sich von ihrer Familie absetzt. Mütter und Väter sind voller Angst vor der staatlichen Kontrolle, die über angemessenes Verhalten urteilt. Sie kommen unangemeldet zum Wohnort der Familie, nehmen die Kinder mit und geben sie in Pflegefamilien. Doch die Liebe der Eltern bleibt in den Herzen ihres Nachwuchses. Das Cover spiegelt eine Situation wider, wie manche besorgte Person der Erzählung sie inzwischen tagtäglich wiederholt: Ein vorsichtiger Blick durch die Gardine nach draußen, ob Gefahr in Form der Ordnungshüter im Anmarsch ist.

Margaret hat asiatische Vorfahren. Vor mehreren Jahren hat sie ungewollt die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen und schließlich in Konsequenz dazu Ehemann und Sohn verlassen. Inzwischen ist Bird zwölf Jahre alt. Sein Vater hat dafür gesorgt, dass sie an einem neuen Wohnort innerhalb der Stadt einen Neuanfang starten können. Eines Tages erhält Bird einen Brief mit einer Zeichnung. Er erkennt, dass seine Mutter sie für ihn gemalt hat. Zum Glück ist die Post nicht konfisziert worden. Bird glaubt fest daran, dass Margaret ihm etwas mitteilen möchte. Darum beginnt er damit einen Plan für die Suche nach seiner Mutter zu erdenken, den er schließlich umsetzt.

Celeste Ng schafft ein beängstigendes Szenario. Die Geschichte ist zwar eine Dystopie, basiert aber auf einer Vergangenheit, die die unsere ist. Beim Lesen wurde mir klar, dass bestimmte Begebenheiten nicht mehr auf sich warten lassen, sondern bereits jetzt Realität sind. Im Roman fordert die USA dazu auf, Gründe für die Wirtschaftskrise zu finden. Irgendwann kanalisiert sich die Meinung, dass Mitbürger mit asiatischen Wurzeln die Schuld tragen. Bereits ihr Aussehen erregt das öffentliche Ärgernis. Es ist erschreckend darüber zu lesen, aber auch bei uns gegenwärtig, dass so viele sich eine solche Ansicht unreflektiert zu eigen machen.

Von Beginn an entwickelt sich eine hintergründige Spannung darüber, ob die Suche von Bird erfolgreich sein wird. Er entdeckt Bibliotheken als einen Ort, an dem sich Widerstand regt, wodurch ein Stück Hoffnung gegeben wird. Die Autorin zeigt, welche Macht Worte ausüben können, im positiven wie im negativen Sinne. Sie nutzt einen Schreibstil, der die wörtliche Rede nicht mit Anführungszeichen versieht. Aber sie ist nah an ihren Figuren und es gelang ihr, mir deren Gefühle zu übermitteln. Ich empfand die Ohnmacht und Hilflosigkeit der zu Unrecht Beschuldigten. Einige Male überraschte mich der Roman mit einer Wendung.

„Unsre verschwundenen Herzen“ von Celeste Ng ist ein dystopischer Roman mit einer unerwartet großen Nähe zu unserer Gegenwart. Die Autorin zeigt auf berührende Weise anhand des Beispiels einer Mutter-Sohn-Beziehung, was Blindgläubigkeit in Verbindung mit Stigmatisierung bewirken kann. Es war ein beeindruckendes und ergreifendes Lesen. Gerne empfehle ich das Buch weiter.



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