Das Glück ist der 27 Jahre alten Bogenbaumeisterin Stefanie
gewogen, denn sie hat es geschafft, sich in der Passauer Innenstadt mit einer
Werkstatt selbständig zu machen. Außerdem hat sie einen wohlhabenden Freund. Im
Roman „Mütter hat man nie genug“ von Monika Maifeld ist sie die Protagonistin.
Obwohl Stefanie bereits eine eigene Wohnung bezogen hat, ist sie gerne bei
ihren Eltern in Vilshofen zu Gast und fühlt sich im Kreis der Familie geborgen.
Eines Tages kommt ihr jüngerer Bruder Felix auf die Idee,
dass sie beide eine DNA-Probe abgeben, weil sie dadurch eventuell noch
unbekannte Verwandte finden könnten. Das Ergebnis wirkt sich allerdings im
genauen Gegenteil aus, denn es zeigt, dass Felix und Stefanie nicht miteinander
verwandt sind. Nachdem aber auch die Eltern das Resultat zerknirscht
bestätigen, gerät Stefanie in eine Identitätskrise.
Zu Beginn läuft die Handlung auf zwei Zeitebenen ab. Während
Stefanie sich im Mai 2018 auf die Suche nach ihrer leiblichen Mutter begibt,
hat Paula im Mai des Jahres 1990 das Anliegen, endlich ein Kind zu bekommen.
Paula steigert sich wahnhaft in ihren Wunsch hinein. Das, was sie unternimmt,
um ein Baby zu erhalten, klingt fast wie eine Räubergeschichte. Da mir die damaligen
Umstände im Zusammenhang mit einer Geburt im Krankenhaus bekannt sind, halte
ich die Schilderungen der Begebenheiten für möglich, fesselnd fand ich sie auf
jeden Fall. Beim Lesen dieses Handlungsstrangs sah ich gleich einen
Zusammenhang mit Stefanie und erhielt durch die Kenntnis der früheren
Ereignisse einen Wissensvorsprung ihr gegenüber. Die Schilderung des Geschehens
im Jahr 1990 bricht etwa nach der Hälfte der Buchseiten mit einem Cliffhanger
ab.
Dank der guten Recherche der Autorin erfuhr ich mehr über
den ungewöhnlichen Beruf von Stefanie. Bei deren Suche nach der Mutter durfte
ich sie zu einigen sehenswerten Orten begleiten. Während der ganzen Zeit
kämpfte die Protagonistin mit ihrem inneren Konflikt, was ich gut
nachvollziehen konnte. Sie erhält von ihrem Freund eine ungeahnte
Unterstützung. Seine Fürsorglichkeit nimmt sie in ihrer momentan schwierigen
Lage gerne an. Von ihm fühlt sie sich gebraucht. Erst spät erkennt sie, wie
Liebe sich in einer Beziehung wirklich anfühlt.
Die Autorin macht es ihrer Protagonistin nicht einfach.
Immer wieder konfrontiert sie Stephanie mit neuen Konflikten, die mit wachem
Verstand auf ihre Möglichkeiten schaut, zu einer Lösung zu gelangen, auch wenn
sie an einem toten Punkt angekommen zu sein scheint. Die Erzählung ist stellenweise
dialoglastig mit manch bewegendem oder auch amüsantem Austausch der Gesprächspartner,
was das Lesen vorantreibt. Stein für Stein setzt die Bogenbaumeisterin die
Informationen über ihre Vergangenheit zusammen. Mein durch die zweite
Handlungsebene erweitertes Wissen ließ mich hoffen, dass sie ihre Suche nicht
abbricht, was für eine gewisse Hintergrundspannung sorgte. Nebenher
thematisiert Monika Maifeld dabei den damals zunehmenden Kinderschmuggel aus
Osteuropa.
Leider kommt es im Roman zu einigen Darstellungen, die ich nicht
ganz nachvollziehen konnte wie das lange Siezen eines guten Freunds oder das
Öffnen des Geschäfts ganz nach Belieben. Auch ein paar kleine logische Fehler
haben sich eingeschlichen, die aber aufgrund der gelungenen komplexen
Konstruktion unwichtig sind.
Der Roman „Mütter hat man nie genug“ von Monika Maifeld
wirft den Wunsch nach der eigenen Identität auf. Als Leserin fürchtete ich, so
wie die Protagonistin Stephanie, dass ihre Suche nach der leiblichen Mutter
vergeblich sein wird. Möglichst bald wollte ich erfahren, ob die Hauptfigur
erfolgreich sein wird und wie sie ihr Gefühlschaos meistert. Gerne empfehle ich
das Buch weiter.