Freitag, 23. Dezember 2022

Rezension: Café Leben von Jo Leevers

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Café Leben
Autorin: Jo Leevers
Übersetzerin aus dem Englischen: Maria Hochsieder
Erscheinungsdatum: 02.11.2022
Verlag: Droemer Knaur (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783426282809
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Zwei unterschiedliche Frauen mit bewegter Vergangenheit sind die Protagonistinnen im Roman „Café Leben“ der englischen Autorin Jo Leevers. Jeder Mensch blickt auf verschiedene Begebenheiten in seinem bisherigen Leben zurück. Das (fiktive) „Projekt Lebensbuch“ in London möchte diese Geschichten erfassen. Vor allem bei schwerkranken Menschen eilt manches Mal die Zeit, um die Momente auf Papier oder im aufgenommenen Wort festzuhalten.

Eine dramatische Erinnerung aus ihrer Kindheit begleitet die 32-jährige Henrietta, die sich beim Projekt dafür bewirbt, die Erzählungen der Kunden niederzuschreiben und entsprechend dem Konzept daraus ein Buch zu erstellen. Die Krebspatientin Annie, Mitte 60, ist die erste, die ihr aus ihrem Leben erzählt. Deren ein Jahr jüngere Schwester verschwand als Jugendliche in einer regnerischen Nacht unauffindbar. Für Henrietta ist es unverständlich, dass Annie und ihre Eltern sich damit abgefunden haben. Doch Annie weicht ihren diesbezüglichen Nachfragen aus, so dass sie selbst zu den damaligen Geschehnissen zu recherchieren beginnt.

Jo Leevers hat mit Henrietta und Annie zwei interessante Figuren geschaffen, bei denen von Beginn an zu spüren ist, dass sie mit den erlittenen Schicksalsschlägen zwar verschieden umgehen, aber beide die Gedanken an das Vergangene auf ihre je eigene Weise verdrängt haben. Als Leserin war ich gespannt darauf, was beide zu verbergen wollen, was für eine gewisse Hintergrundspannung und einen Lesesog sorgte. Während Henrietta ihre eigenen Prinzipien hat und diese penibel verfolgt, auch wenn sie von höherer Stelle nicht erwünscht sind, fühlt Annie sich seit dem Tod ihres Ehemanns frei und ungebunden. Bereits durch ihre Kleidung ist sie auffällig, während Henrietta versucht, unscheinbar zu wirken. Für das, was sie liebt, setzt sie sich dennoch tatkräftig ein.

Die Kapitel wechseln zwischen den beiden Protagonistinnen. Obwohl es zunächst danach aussieht, als ob Henrietta und Annie nicht harmonieren, lernen sie, bestimmte Eigenschaften der jeweils anderen zu schätzen. Sie begegnen sich mit Respekt, der dafür sorgt, dass sie immer vertrauter werden und sich füreinander öffnen. Durch die Akzeptanz der weniger geschätzten Eigenschaften der jeweils anderen, gelingt es ihnen, sich auf dieselbe Gesprächsebene zu begeben und dabei Besorgnis auszudrücken und Verständnis und Wärme zu vermitteln.

Die Autorin schreibt einfühlsam über das Sterben, weil es zum Leben dazugehört, aber ohne es in den Vordergrund zu stellen und dem Roman dadurch die Leichtigkeit der Unterhaltung zu nehmen. Sie zeigt, dass bedrückende Ereignisse in jedem Lebensalter emotional verarbeitet werden sollten, denn man kann sie nicht ungeschehen machen.

Figuren, die sich in ihrem Leben weiterentwickeln oder weiterentwickelt haben, verborgene Geschichten in der Vergangenheit, die aufgedeckt werden wollen und ein berührendes gegenwärtiges Setting sind die Zutaten des feinsinnig geschriebenen, herzbewegenden Romans „Café Leben“ von Jo Leevers, den ich sehr gerne weiterempfehle.

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