Rezension von Ingrid Eßer
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Thema der Trilogie „Die Frauen vom Lindenhof“ ist das
Streben nach Selbstbestimmung der jeweiligen Protagonistin in den 1950er,
1980er und 2000er Jahren. Sie leben auf einem Hof, der etwas außerhalb eines
Dorfs im Hohenloher Land in Baden-Württemberg liegt. Andrea Bottlinger und
Claudia Hornung schreiben die Reihe gemeinsam unter dem offenen Pseudonym
Katharina Oswald. Im ersten Band mit dem Untertitel „Ein Neuanfang für uns“
kämpft Marianne Wagner 1953 und den folgenden Jahren darum, eigenständig die
Schreinerei ihres verstorbenen Vaters mit einer frischen Geschäftsidee
weiterführen zu können.
Mariannes Mutter Barbara verdient mit Näharbeiten das Geld
für den Haushalt der Familie zu der sie selbst, ihre drei Kindern und ihr
Schwiegervater gehören. Nach dem Verlassen der Volksschule hat Marianne sie im
Haushalt auf dem Lindenhof unterstützt und Botengänge erledigt. Doch sie möchte
gerne mit einer Arbeit, an der sie Freude hat, Einkommen erzielen. Die
Schnitzarbeiten ihres Opas wecken ihr Interesse und andernorts sieht sie schöne
Dinge aus Holz, die sie zu der Überlegung bringen, die Werkstatt wieder aufzubauen.
Mit Ausnahme ihres engsten Umfelds glaubt niemand an die Verwirklichung ihrer
Vorstellungen und sie muss viele Steine beiseite räumen, die ihr in den Weg
gelegt werden.
In einem angenehmen Schreibstil schildern die beiden
Autorinnen die Mühen der Protagonistin um ein selbstbestimmtes Leben. Mit dem
Freund der jüngeren Schwester bringen sie einen Antagonisten ins Spiel, der
Marianne das Leben schwer macht. Aber nicht alle seine Einwände sind von der
Hand zu weisen, wenn man sie in den zeitlichen Kontext einordnet. Er verhält
sich zuvorkommend gegenüber seiner Freundin. Die Autorinnen verstehen es, seine
wahren Absichten lange verbergen.
Glücklicherweise findet die Hauptfigur Unterstützung bei
Personen, auf die sie sich verlassen kann, denn ohne sie ist die Erfüllung
ihres Traums kaum möglich. Mehr als einmal überlegt Marianne aufzugeben. Einer,
der ihr Mut macht und seine Arbeitskraft eifrig einsetzt ist Alexandre, dessen
familiäre Herkunft lange geheim bleibt. Von Beginn an, weiß die Protagonistin,
dass der Lindenhof nur eine Zwischenstation für ihn ist, weil er seine eigenen
Träume verwirklichen möchte. Es entsteht eine hintergründige Spannung dadurch, ob
Marianne sich ohne ihn zurechtfinden wird, sowohl in beruflicher Sicht als auch
in Sachen Liebe. Gerne hätte ich mehr über ihre Kindheit und Jugend erfahren
sowie ihr Alter.
Auch acht Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist die
Erinnerung daran immer noch lebendig und hat seelische Wunden hinterlassen.
Obwohl Frauen sich zur Kriegszeit nicht nur im Haushalt , sondern oft im Beruf
engagieren mussten, um das Überleben der Familie und beziehungsweise oder den
Bestand des Unternehmens zu sichern, werden sie in den 1950er wieder in die
früheren Rollenverhältnisse zurückgedrängt. In Katharina Oswalds Geschichte ist
der Esprit der Zeit deutlich zu spüren. Neben dem Charme der ländlichen Gegend
vermittelten die Autorinnen mir auch einen Eindruck vom Stadtleben in
Schwäbisch Hall.
Mit dem Roman „Ein Neuanfang für uns“ ist Katharina Oswald der
Auftakt der Serie über die Frauen vom Lindenhof gelungen. Auf ihrem Weg zu
einem selbstbestimmten Leben muss sich die Protagonistin Marianne gegen die in
den 1950er Jahren allgemein geltende Überlegenheit der Männer in Sachen
Entscheidungen durchsetzen. Sie kämpft mit unvorhersehbaren Schicksalsschlägen
und verliebt sich in einen Mann, der mit seinem Talent beruflich in Paris
erfolgreich werden möchte. Von Beginn an hofft man, dass die sympathische
Hauptfigur ihre Ziele erreichen wird. Mancher Rückschlag sorgt dabei für ein
ergreifendes Lesevergnügen bis zum Schluss. Gerne empfehle ich das Buch weiter
und freue mich auf den zweiten Band, der in den 1980er Jahren spielen wird.