Rezension von Ingrid Eßer
*Werbung*
Titel: Die Süße von Wasser
Autor: Nathan Harris
Übersetzer: Tobias Schnettler
Verlag: Eichborn (Link zur Buchseite des Verlags)
Erscheinungsdatum: 28.10.2022
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783847901211
--------------------------------------------------------------
In seinem Debüt „Die Süße von Wasser“ schreibt Nathan Harris
über die fiktiven Brüder Prentiss und Landry aus Georgia, die nach der ab 1863
für die amerikanischen Südstaaten geltenden Emanzipationserklärung, ihre
Freiheit erhalten haben und sich auf Arbeitssuche begeben. Die Süße von Wasser
nach einem anstrengenden Tag auf dem Feld war während ihrer Versklavung eine
ihrer großen Freuden. Der kauzige Farmbesitzer George Walker gibt ihnen unweit
der Plantage ihres bisherigen Besitzers Arbeit und Unterkunft.
Die Brüder begegnen ihrem zukünftigen Arbeitgeber beim
Umherstreifen in den Wäldern. Nicht nur die beiden haben sich verlaufen,
sondern auch George, der auf der Suche nach einem großen Tier ist, von dem er
glaubt, es vor vielen Jahren einmal gesehen zu haben. Seither drängt es sich
immer wieder beim Aufwachen in seine Gedanken. Als Caleb, der Sohn von George vom
Kriegseinsatz heimkehrt, stellt er erstaunt fest, dass sein Vater ein Stück seines
Farmlands angefangen hat zu bebauen. Caleb sehnt sich danach, eine frühere
Liebesbeziehung wieder aufzunehmen, die aber nicht an die Öffentlichkeit
dringen darf. Argwöhnisch beobachten die Einwohner des naheliegenden Orts die
Bewohner der Farm und deren Tun und Lassen, das nicht der von ihnen gesetzten
Norm entspricht.
Nathan Harris große Stärke ist die
Gestaltung seiner Figuren. Durch zahlreiche Rückblicke erklärt er deren
eigenwillige Verhaltensweisen. Er gewährt einen Einblick in den Alltag der
beiden Brüder, während sie versklavt waren, welches erklärt, wodurch ihre
zahlreichen körperlichen und psychischen Verletzungen herrühren. George hat
eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber vielen Themen entwickelt. Er wurde durch
die Ansichten seines Vaters geprägt, die er schon in jungen Jahren hinterfragt
hat.
Caleb beginnt, hinter die Fassaden
der Menschen zu blicken, die ihn für ihre Zwecke bisher instrumentalisierten. Ihm
gelingt es immer besser, den Mut zu finden, für sich selbst einzustehen. Eine
weitere wichtige Person im Figurengeflecht ist Isabelle, die Frau von George. Sie
steht seit Jahren an der Seite ihres Mannes und respektiert seine Marotten. Sie
hat einen Teil ihrer Ängste überwunden und weiß, wann sie resolut durchgreifen oder
sich zu ihrem eigenen Schutz zurückziehen muss.
Jede der Figuren ist auf ihre Art
verletzlich und sucht sich auf eigene Weise einen geschützten Rückzugsort, was
nicht nur räumlich gemeint ist. Ruhige Wälder und weite Felder geben dem Roman
Atmosphäre ebenso wie machthungrige Bürger und beeinflussbare Gesetzeshüter.
Der Roman „Die Süße des Wassers“ von
Nathan Harris ist eine wunderbar geschriebene, berührende Geschichte über
Humanität und Leidenschaft, Mut und Selbstbehauptung, die nachhallt. Dem
gegenüber steht die betrübende Seite einiger Farmbesitzer, die ihr Ansehen in
der Gesellschaft in Gefahr sehen. Daher vergebe ich sehr gerne eine
uneingeschränkte Leseempfehlung.