Die Norwegerin Tekla macht es glücklich und frei, im Regen
zu tanzen und abschließend verbeugt sie sich, als ob sie dafür Applaus
empfangen würde. Sie ist eine der beiden Protagonistinnen und Titelfigur des
nach ihrer besonderen Eigenart benannten Romans „Als Großmutter im Regen
tanzte“ von Trude Feige. Er spielt auf zwei Handlungsebenen und führt von der
Gegenwart auf einer norwegischen Insel zurück in die Vergangenheit nach
Deutschland ins Jahr 1946.
Teklas Enkelin Juni, von Beruf Krankenschwester und auf dem
Festland lebend, ist die zweite Hauptfigur. Sie hat Beziehungsprobleme. Juni
sieht das Haus ihrer verstorbenen Großeltern auf der Insel aktuell als Zufluchtsort.
Ihre erst vor kurzem verschiedene Mutter hat dort vorher gewohnt. Während ihres
Aufenthalts stöbert Juni in allen Ecken und findet Hinweise auf eine bewegte
Vergangenheit ihrer Großmutter nach dem Zweiten Weltkrieg. Georg, der seine
Doktorarbeit in Geschichte auf der Insel beenden möchte, ist ihr behilflich,
mehr über die damaligen Ereignisse zu erfahren. Dabei deckt sie nicht nur
einige Geheimnisse ihrer Großmutter auf, sondern findet auch zu ihren eigenen
Wurzeln.
Die Geschichte ist auf zwei Zeitebenen geschrieben. Um diese
nicht nur anhand der Charaktere zu unterscheiden, sind sie in unterschiedlichen
Schriftarten verfasst. Trude Teige schreibt über die Freundschaften
einheimischer Frauen in Norwegen zu deutschen Soldaten während der
Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg, die ihren Geliebten später in die Heimat
folgten. In der Literatur ist die Episode weitgehend unerzählt geblieben. Mit
der Darstellung, das Hier und Jetzt mit einer Spurensuche in der Vergangenheit
zu verbinden, führt sie dem Lesenden vor Augen, wie wichtig es ist, die
Vergangenheit nicht schweigen zu lassen. Außerdem zeigt sie, dass es auch für
die Nachkommen wertvoll ist, ihre Wurzeln zu kennen, egal in welchem Alter sie
sind.
Juni, die auf der Insel Abstand zum Alltag gewinnen will, deckt
Stück für Stück auf, was über drei Generationen hinweg verschwiegen wurde. Die
Autorin vermittelt die Gefühlswelt von Juni dem Lesenden, indem sie sie selbst
erzählen lässt. Teclas Erlebnisse spiegeln das Schicksal vieler norwegischer
Frauen wieder. Dank der sehr guten Recherche der Autorin werden bestürzende
Geschehnisse lebendig. Die Not der Bevölkerung in der Nachkriegszeit und die
Furcht der deutschen Frauen vor den sowjetischen Besatzern im Osten
Deutschlands werden deutlich. Während dieser Zeit ist Tecla eine junge Frau,
die darüber erschrocken ist, dass Norwegen ihr aufgrund ihrer Liebe und der
damit verbundenen Ausreise die Staatsbürgerschaft nimmt. Dadurch sensibilisiert,
hinterfragt sie auch in Deutschland die damals üblichen Stigmatisierungen.
Der Roman „Als Großmutter im Regen tanzte“ von Trude Teige
behandelt einen wenig beschriebenen Fakt der Weltgeschichte. Aber neben den
ergreifenden Begebenheiten in den Nachkriegstagen fasst sie auch die Sorgen und
Probleme einer jungen Frau in der Gegenwart auf, die in einer gestörten
Beziehung lebt. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für diese authentisch
geschriebene, berührende Geschichte.