Mittwoch, 29. März 2023

Rezension: Wir hätten uns alles gesagt von Judith Hermann


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Wir hätten uns alles gesagt
Autorin: Judith Hermann
Hardcover: 192 Seiten
Erschienen am 15. März 2023
Verlag: S. FISCHER

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Im Sommersemester 2022 hat Judith Hermann die Gastprofessur für Poetik an der Goethe-Universität in Frankfurt übernommen und in diesem Rahmen an drei Abenden die sogenannten Frankfurter Poetikvorlesungen gehalten. Diese sind nun in "Wir hätten uns alles gesagt" in gedruckter Form erschienen.

Zu Beginn des ersten Abschnitts schildert Hermann, wie sie zwei Jahre nach dem Ende ihrer Psychoanalyse zum ersten Mal ihren Psychoanalytiker außerhalb seiner Praxis in einem Späti in Berlin getroffen hat. Diese Begegnung lässt sie an die Entstehung der Erzählung "Träume" zurückdenken. Sie beschreibt, wie diese Erzählung durch Hinzufügen und Weglassen aus ihrer tatsächlichen Erfahrung entstanden ist. Letztendlich gebe sie ihre Erlebnisse an eine Figur "die ist, wie ich immer sein wollte, niemals war oder sein werde" (S.17).

Im weiteren Verlauf erhielt ich vielfältige Einblicke in Erlebnisse und Personen, die Judith Hermanns Schreiben geprägt haben. Dabei stellt sie fest: "Ich verhöre mich selbst." (S.98) Die Schilderung ihrer Erinnerungen und die Reflektion, was sie geprägt hat, nimmt viel Raum ein. Ich erfuhr aber auch mehr über die Entstehung diverser Erzählungen, zum Beispiel auch die ihrer ersten Erzählung "Rote Korallen", welche sie mit fünfundzwanzig während eines Aufenthaltsstipendiums für Autoren im Haus von Günther Grass in Wewelsfleth schrieb.

Besonders interessant fand ich ihre Überlegungen zum Thema Streichungen. Sie beschreibt, wie jede sie Erzählung von Fassung zu Fassung verändert, Dinge herausnimmt "und das, was in der letzten Fassung unwiederbringlich verloren ist, ist das, wofür ich die Geschichte geschrieben habe." (S. 127) Außerdem setzt sie sich damit auseinander, welche Erlebnisse zur Inspiration für Erzählungen geworden sind und welche nicht und was diese voneinander unterscheidet. Dabei schlussfolgert sie: "[Mir fällt] auf, dass ich hier beinahe ausschließlich über die Geschichten schreibe, die ich nicht schreiben werde oder nicht geschrieben habe, das ist der Aufgabe diametral entgegengesetzt, und es ist trotzdem, oder gerade deshalb, der Versuch einer Antwort." (S. 146)

Judith Hermanns Eintauchen in ihre Erinnerungen und ihre Überlegungen zum Schreiben konnte ich mühelos folgen und die Schlussfolgerungen, die sie aus dieser Reflektion zieht, fand ich nachvollziehbar. Ich empfehle, sich vor diesem Buch mit dem Erzählton der Autorin auseinanderzusetzen und mindestens ein anderes Werk von ihr zu lesen, um besser an die Ausführungen anknüpfen zu können. Sehr gerne empfehle ich das Buch an alle weiter, die sich intensiv mit der Autorin Judith Hermann und den Hintergründen ihres Werks auseinandersetzen möchten.

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