Dienstag, 18. April 2023

Rezension: Die Insel der Unschuldigen von Jess Kidd


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Die Insel der Unschuldigen
Autorin: Jess Kidd
Übersetzer: Werner Löcher-Lawrence
Hardcover: 416 Seiten
Erschienen am 18. April 2023
Verlag: DuMont Buchverlag

Im Jahr 1628 geht die neunjährige Mayken gemeinsam mit ihrem Kindermädchen Imke im holländischen Texel an Bord der "Batavia". Das Ziel der beiden ist die gleichnamige Stadt in Indonesien, wo Maykens Vater lebt, zu dem sie nach dem Tod ihrer Mutter gebracht werden soll. Doch vorher müssen sie eine monatelange Reise überstehen, bei der die Passagiere von Krankheiten heimgesucht werden. Mayken ist sich sicher, dass der unheimliche Bullebak dahintersteckt, ein Monster, auf das sie Jagd machen will. 

361 Jahre später wird der neunjährige Gil nach dem Tod seiner Mutter zu seinem Großvater Joss gebracht, der Fischer auf Beacon Island ist, einer kleinen Insel vor der Küste Westaustraliens. Hier leben nur wenige Menschen: Andere Fischer, die Joss allesamt nicht zu mögen scheinen, und Wissenschaftler, die sich für das Wrack der "Batavia" vor der Insel sowie interessieren sowie alles, was sich auf der Insel von den Schiffbrüchigen finden lässt. 

Der Roman wird abwechselnd aus der Perspektive von Mayken und Gil erzählt und beginnt jeweils mit ihrem Eintreffen in einer neuen Umgebung: Mayken an Bord der Batavia und Gil auf Beacon Island. Auch wenn die beiden 361 Jahre trennen, so gibt es einige Paralellen zwischen Maykens Erlebnissen im Jahr 1628 und Gils im Jahr 1989: Beide haben viele lange Tage ohne gleichaltrige Spielgefährten vor sich und nutzen ihre Fanatsie, um sich die Zeit zu vertreiben. Dabei üben schaurige Geschichten eine Faszination auf sie aus. Mayken schleicht sich auf die unteren Decks, wo sie verschiedenste Geschichten wie die des Bullebaks aufschnappt, während die Inselbewohner Gil vom Schicksal der Schiffbrüchigen der Batavia erzählen und des Geistes von Little May, der auf der Insel umherstreifen soll.

Die Geschichten bieten den Kindern Ablenkung und Zeitvertreib, während sich ihre eigene Situation zuspitzt. Trotz ihrer kindlichen Unschuld ziehen sie durch ihr Verhalten oder auch nur durch ihre Existenz den Unmut Erwachsener auf sich. Gespannt verfolgte ich ihre Abenteuer. Trotz einiger amüsanter Momente herrscht eine bedrohliche Atmosphäre vor. Das fürchterliche Schicksal von Mayken und der "Batavia" ist durchs Gils Perspektive bekannt, und auch bei ihm baut sich durch das Verhalten der anderen Fischer gegenüber ihm und seinem Großvater eine Drohkulisse auf.

Die Autorin Jess Kidd schafft es, die beiden Handlungsstränge immer wieder auf subtile Weise miteinander zu verweben. Dabei hat sie gelungen historische Fakten mit Fiktion vermischt und daraus eine ergreifenden Geschichte über Verlust, Trauer und Traumata gemacht. Die Lektüre ist keine leichte, sie lässt tief in menschliche Abgründe blicken. Die Schicksale von Mayken und Gil haben mich sehr berührt und den Roman zu einem eindrücklichen Leseerlebnis gemacht, das lange nachklingt.

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