Vor 35 Jahren hat Anni ihr Abitur gemacht, das mit einer
großen Party in der örtlichen Großraumdisco, nach der der gleichnamige Roman
von Christine Drews benannt ist, gefeiert wurde. Aus diesem Anlass versammelt
sich jetzt der Abiturjahrgang in denselben Räumlichkeiten, die längst zur
Mehrzweckhalle geworden sind. Die Musik, die dort läuft, die ersten Begegnungen
mit KlassenkameradInnen und vor allem die ausliegenden Ausgaben der damaligen
Abiturzeitschrift bringen die Protagonistin gedanklich zurück in die
Vergangenheit zu einem langwierigen Zwist mit ihrer besten Freundin, der auf
der Abiturfete seinen Anfang nahm.
Anni leidet unter dem Verrat ihrer Freundin, die ein ihr
anvertrautes Geheimnis den MitschülerInnen verraten hat. Sie verdrängt ihren
Kummer und beginnt, entgegen des Wunsches ihres Vaters, ein Psychologiestudium
in Bremen, das etwa vierzig Kilometer von ihrem Heimatort entfernt liegt. Die
neue Umgebung gibt ihr die Gelegenheit, erneut ihren Tick zu verbergen, der vor
einigen Jahren nach einem schweren persönlichen Verlust begonnen hat. Die
Ansprüche im Studium stellen sie vor neue Herausforderungen, die ihr schwierige
Entscheidungen abverlangen und ein gewisses Improvisationstalent von ihr
erfordern. Neue Bekanntschaften und daraus resultierende Freundschaften geben
ihr Rückhalt bei ihrem Start in die berufliche Zukunft.
Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt.
Während Anni die Ereignisse in der Ich-Form beschreibt, wodurch ich ihren
Gefühlen sehr nahekommen konnte, schildert ein auktorialer Erzähler das
Geschehen rund um Christian, einem weiteren Protagonisten, der als Bankkaufmann
arbeitet. Von Kindestagen an ruhte auf ihm ein gewisser Erfolgsdruck der
Eltern, die ihn aufs Internat gehen ließen. Sein beruflicher Erfolg und sein
gutes Aussehen bringen ihn dazu, sein Einkommen in Statusobjekte zu
investieren, One-Night-Stands zu lieben und sein vermeintliches Wohlbefinden mit
Rauschmitteln zu steigern.
Anhand von Anni und Christian zeigt die Autorin, dass es verschiedene
Möglichkeiten gibt, mit Leistungsansprüchen umzugehen und den möglichen
Konsequenzen, die sich dadurch ergeben. Die Kapitel wechseln gelegentlich
zwischen den beiden Hauptfiguren des Romans, die trotz oder gerade aufgrund der
Unterschiede im Charakter sich voneinander angezogen fühlen. Zwischengeschoben
sind außerdem einige Beiträge in kursiver Schrift, die mir als Leserin das
berührende Schicksal von Annis bester Freundin beschrieben. Durch die Wechsel
der Perspektiven ergeben sich immer wieder kleine Cliffhanger, die eine gewisse
Spannung erzeugen und den Lesefluss steigern.
Christine Drews versteht es, die 1980er Jahre aufleben zu
lassen. Kultur und Studentenleben brachten mich gedanklich zurück in meine
Jugend. Annis studentisches Engagement bot mir Einblick in eine
Selbsthilfegruppe, ihr Aushilfsjob ließ mich an den Vorbereitungen für eine
bekannte TV-Sendung teilnehmen und brachte mir weitere Erinnerungen. Die
Schilderungen wirken realistisch, was sicherlich den Erfahrungen der Autorin
zuzuschreiben ist, die selbst Psychologie studiert und beim Fernsehen
gearbeitet hat. Sie verdeutlicht, dass die gesellschaftliche Akzeptanz
psychischer Erkrankungen schwierig ist, was häufig an der Scham der Betroffenen
liegt. Ferner thematisiert sie, wo im öffentlichen Raum das endet, was als Spaß
begonnen hat.
Mit ihrem Roman „Grossraumdisco“ führte die Autorin Christine Drews mich zurück in die 1980er. Neben dem Alltagsleben der Studentin und beim Fernsehen jobbenden Anni sowie dem leichtlebigen Banker Christian, die mit ihren jeweils eigenen Sorgen kämpfen, las ich auch von Problemen überregionaler Bedeutung wie beispielsweise dem Umweltschutz, denen man sich damals zwar bewusst war oder wurde, von denen manches aber leider bis heute nicht geklärt. Gerne bin ich in der Zeit zurückgereist und wünsche das auch noch vielen anderen Lesenden, denen ich das Buch gerne empfehle.