Titel: Unsichtbar
Autor: Eloy Moreno
Übersetzerin: Ilse Layer
Lange hat
der junge Protagonist des Romans „Unsichtbar“ von Eloy Moreno geglaubt, dass er
eine Superkraft entwickelt hat, dank der er vor allen Augen verschwinden kann.
Aber leider funktioniert seine Fähigkeit nicht immer zur rechten Zeit. Was sich
wie eine Fantasy anhört, ist eine Geschichte, wie sie täglich passieren kann und unter die Haut geht. Die Vorstellung
des Jungen, sich unsichtbar machen zu können, entspringt seinem Wunsch, es
seinen Comic-Helden gleichzutun. Die Gegenwart ist für ihn mit derartigen
Ängsten vor weiterem Mobbing verbunden, dass er Zuflucht in einer Illusion
sucht.
Am Beginn
des Buchs lernte ich in einem kurzen Kapitel eine Frau kennen, die sich ein
großes Kunstwerk auf ihren Rücken tätowieren lässt. Zu diesem Zeitpunkt konnte
ich nicht ahnen, dass es sie erinnert, ihr gleichzeitig aber die Kraft
verleiht, Beobachtungen zu hinterfragen und unbequeme Schritte zu gehen. Sie
kommt für den Protagonisten fast zu spät. Das nächste Kapitel wird von dem
Jungen selbst erzählt. Er liegt im Krankenhaus und versucht einen Panikanfall
zu überwinden. Er hatte einen Unfall und kann sich nicht daran erinnern, was danach
geschah.
Die
Erzählperspektive wechselt immer wieder zu einem auktorialen Erzähler, der dem
Lesenden Informationen über Freunde, Bekannte, Familienmitglieder und Lehrende
gibt, indem er gegenwärtige Szenen schildert. Später schaut er auf Ereignisse,
die vor dem Unfall liegen und führt aus, wie es dazu kam. Der Schreibstil des
Autors ist kreativ. Die kurzen Kapitel sind prägnant und ermöglichen einen
schnellen Lesefluss.
Nachdem der
im Krankenhaus liegende Junge über mehrere Tage hinweg den Mut gefasst hat,
sich einer Person anzuvertrauen, die bisher nicht zu seinem Umfeld gehörte,
beginnt er zu erzählen, wie er gemobbt wurde. Bewusst gibt Eloy Moreno dem
Jungen keinen Namen, denn das, was ihm geschieht, könnte jedem passieren. Er ist
vor kurzem auf eine weiterführende Schule gewechselt, lebt in einer intakten
Familie, hat Freunde und erhält gute Noten, sehr gute sogar. Er ist nicht
besonders auffallend, weder im Äußeren noch durch Äußerungen. Was ihm
widerfährt ist berührend und verstörend. Es entwickelt sich eine Spirale der
Angst.
Der Autor
nimmt nicht nur das Opfer in den Fokus, sondern beschäftigt sich auch mit dem
oder den Tätern, dessen oder deren Handlung dadurch bestätigt wird, wenn sie ohne
Konsequenzen bleibt. Er blickt ebenfalls auf diejenigen, die wegschauen, weil
sie meinen, dafür einen Grund zu haben, sei es aufgrund ihrer Unbeholfenheit
oder ihrer eigenen Unfreiheit. „Alle können zwischen Gut und Böse, Spaß und
Demütigung, Spiel und Mobbing unterscheiden. Aber keiner weiß, wie man […]
stoppen soll, ohne sich selbst zu schaden.“ (S. 188) Dennoch schenkte der Autor
mir als Leserin im zunehmenden Gefühlsaufruhr einen Funken Hoffnung.
Eloy Morenos
Roman „Unsichtbar“ ist eine emotional mitreißende Geschichte über einen
gemobbten Jungen, der sich lieber für sein Umfeld unsichtbar machen möchte als
weiterhin seinen Ängsten ausgesetzt zu sein. Es ist ein wichtiges Buch, das zur
Pflichtlektüre in Schulen werden sollte. Der Protagonist ist Schüler, aber
ähnliche Situationen sind auch für Erwachsene denkbar zum Beispiel im beruflichen
Umfeld. Daher empfehle ich den Roman nicht nur an jugendliche Lesende ab 14 Jahren, sondern
auch an Ältere. Ich schätze es, dass im Anhang einige wichtige Aspekte zum
Mobbing erklärt werden.