Rezension von Ingrid Eßer
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Titel: Als wir Vögel waren
Autorin: Ayanna Lloyd Banwo
Übersetzerin aus dem trinidad-kreolischen Englisch: Michaela Grabinger
Erscheinungsdatum: 26.04.2023
Verlag: Diogenes (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Leseexemplar als Taschenbuch
ISBN: 9783257072242
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In ihrem Debütroman „Als wir
Vögel waren“ nahm mich die gebürtige Trinidadierin Ayanna Lloyd Banwo mit in
ihre Heimat. Teile der Geschichte sind von Mythen der Insel umrankt. Das Cover
zeigt den Übergang zwischen Schattenwelt und unserer Farbenwelt. Sowohl die
Protagonistin Yejide wie auch der Protagonist Emmanuel sind alten Familientraditionen
verhaftet.
In einem Rückblick auf ihre
Kindheit, erfuhr ich zu Beginn des Romans von der magischen Herkunft der Familie
von Yejide, die einer Sage nach von Corbeaux, den Rabenvögeln abstammt. Darauf
bezieht sich der Buchtitel. Sie haben das Fliegen nicht verlernt und geben
jeweils von Mutter zu Tochter das Wissen über den Umgang mit Jenseitigen
weiter. Viel zu früh ist Yejides Mutter ihrer Zwillingsschwester in die
Ewigkeit gefolgt, weswegen sie sich um deren Begräbnis kümmern muss. Infolgedessen
erwirbt sie auf mysteriöse Weise, die seit vielen Generationen in der Familie
gehüteten Geheimnisse.
Emmanuel, der mit seinem
Nachnamen Darwin gerufen wird, ist ein Nasiräer, der so wie seine Vorfahren
nach einem bestimmten Codex lebt. Zu den Regeln gehört, dass er sich den Toten
und Gräbern nicht nähern soll. Aber die einzige offene Arbeitsstelle, die er
nach langer Wartezeit angeboten bekommt, ist die eines Totengräbers in der
nächstgelegenen Stadt. Ohne eine Aussicht auf die Besserung seiner Lebensverhältnisse
übernimmt er den Job.
Die Autorin verknüpft in
ihrem Roman karibische Lebensart nicht nur mit fiktivem Geschehen an erfundenen
Handlungsorten, sondern auch mit bestehenden und erdachten Sagen, vor allem
Schöpfungsgeschichten. Einfühlsam beschreibt sie das Eintauchen von Yejide in
eine ihr fremde Vorstellungswelt, vor der ihre Mutter sie bisher in Schutz
genommen hat. Aber sie hat keine Möglichkeit, sich dem Zugriff der ihr
zukommenden Fähigkeit zu entziehen. Als Leserin benötigte ich einige Zeit, um
ihre Gedanken zu verstehen.
Darwin hat im Gegensatz zu
ihr eine Wahl und kann sich nach seinen Prioritäten bewusst entscheiden, ob er
das Gelübde brechen und auf eine andere Weise leben möchte. Während man Yejide ihre Besonderheit nicht ansieht,
offenbart Darwin mit seinen Rastas auch nach außen hin seine Einstellungen. Auf
dem Friedhof begegnet er Kollegen, die ihm den Zugang zu einem anderen
Lebensbereich öffnen. Es entwickelt sich eine gewisse Spannung, ob er sich
darauf einlassen und damit in Verbindung mit offensichtlich kriminellen
Elementen kommen wird.
Durch die Geschichte zieht
sich die Liebe in unterschiedlicher Form. Nicht nur zwischen Yejide und Darwin
entwickeln sich zarte Bande, sondern es ist auch die Liebe zu den Traditionen,
verwandtschaftliche Bande und in besonderem Maße zu den Müttern. Beide
Protagonisten sind ohne den leiblichen Vater aufgewachsen. Während Darwin für
seine Mutter Zuneigung empfindet, hat Yejide ein differenziertes Verhältnis zu
ihrer. Beiden gemeinsam ist der respektvolle Umgang mit dem mütterlichen Elternteil.
In ihrem Debüt „Als wir Vögel
waren“ beschreibt Ayanna Lloyd Banwo die ungewöhnliche Liebesbeziehung zweier
junger Menschen auf Trinidad, die familiär bedingt einem Brauch anhängen. Sie
umspinnt ihre Geschichte mit existierenden und selbst erdachten Mythen und
füllt sie mit der kreolischen Lebenskultur. Dabei zeigt sie, wie wichtig die
Vorfahren für die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität ist. Gerne
empfehle ich das Buch weiter.