Rezension von Ingrid Eßer
-----------------------------------------------------------------------------
Für den Buchhändler Jean Perdu sind vier Jahre vergangen,
seit er mit seinem Bücherschiff, einem Frachtkahn mit Namen Lulu, von Paris aus
in den Süden Frankreichs geschippert ist. Sein Schiff liegt momentan mitsamt
den Büchern im Hafen von Aigues-Mortes vertäut und wird von Freunden als Bistro
genutzt. Perdu lebt inzwischen in der Provence mit der Bildhauerin Catherine
zusammen und arbeitet als Makler für geheime Manuskripte. Der letzte Wunsch
eines Autors bringt ihn dazu, seine „Pharmacie Littéraire“ wieder herzurichten
und mit ihr nach Paris zu fahren. Auch Cathrine findet, dass er nur dann
glücklich sein wird, wenn er das tut, was er immer schon geliebt hat.
Im Roman „Das Bücherschiff des Monsieur Perdu“ schildert
Nina George seine Reise über die Kanäle und Flüsse Frankreichs. Bevor Perdu
jedoch zu seiner Reise aufbricht, erfuhr ich von der Autorin, was aus den
FreundInnen und Bekannten des Buchhändlers seit den fiktiven Ereignissen, die
sie im Buch „Das Lavendelzimmer“ beschrieben hat, geworden ist. Es war schön,
wieder von Max, Victoria, Samy, Cuneo und Madame Gulliver zu lesen.
Auf seiner Fahrt lernt Perdu weitere interessante Personen
kennen, die das Leben auf sein Bücherschiff spült und von denen einige an
seiner Seite bleiben. Dazu gehören ein noch wenig vorbereiteter und daher ängstlicher
zukünftiger Vater, ein pubertierender Teenager mit romantischen Wünschen und ein
traumatisiertes Kind. Es hat mir gefallen, dass Perdu weniger den Gedanken an
seine frühere Beziehung nachhängt und stattdessen mehr mit gegenwärtigen
Problemen beschäftigt ist. Die Autorin beschreibt die Sinneseindrücke im Umfeld
des Buchhändlers so intensiv, dass man sie beim Lesen zu riechen und zu hören
glaubt und alles vor Augen hat. Sie lassen das Leben an Bord in der Vorstellung
lebendig werden.
Mit wenigen Fragen versteht Perdu es, die Probleme seiner
KundInnen ausfindig zu machen. Mit seinen umfassenden literarischen Kenntnissen
wählt er dann treffsicher die passende Lektüre aus und verhilft einigen dazu,
Balsam für ihre Sorgen darin zu finden. Die dabei genannten Bücher, sehe ich
auch selbst als Leseempfehlung.
Schon während seiner Zeit auf dem Bücherschiff in Paris hat
Perdu begonnen eine Enzyklopädie der Kleinen Gefühle zu schreiben. Im Buch
findet sich in jedem Kapitel, meist am Ende, die Erklärung einer besonderen Empfindung
wie beispielsweise Kalenderblues, Übergangstaumel oder auch Lese-Lampenfieber.
Zwar unterbrechen die Einschiebungen den Lesefluss, aber nach eigener Wahl kann
man die Zusätze überspringen und die Schiffsreise ununterbrochen fortsetzen.
Die Einträge aus dem Handbuch sollten aber im Anschluss unbedingt ebenfalls
leserisch genossen werden. Einige der Ideen, die sie für den Buchhändler zum
Verkauf seiner Bücher entwickelt, finde ich für Buchläden zur Umsetzung
empfehlenswert.
Mit ihrem gefühlsbetonten und poetischen Schreibstil versteht Nina George in ihrem Roman „Das Bücherschiff des Monsieur Perdu“ ihre Leser und Leserinnen erneut mit auf eine Reise über die Wasserwege Frankreichs an Bord der einzigartigen pharmazeutischen Buchhandlung des Protagonisten zu nehmen. Mit dabei sind einige bereits aus dem vorigen Teil bekannte Figuren, aber auch liebenswert gestaltete neue. Auf seinem Weg hat Jean Perdu einige Schwierigkeiten zu überwinden. Zum Ende hin gibt es mehrere Schreckminuten für ihn und den Lesenden, die bangen lassen, ob er sein Schiff an den alten Liegeplatz in Paris zurückbringen kann. Sehr gerne empfehle ich diese ansprechende und erbauende Lektüre weiter.