Die Kanadierin Heather Fawcett lässt ihre Protagonistin
Emily Wildes seit neun Jahren an einer „Enzyklopädie der Feen“ arbeiten. Im
Buch mit gleichlautendem Titel berichtet Emily aus diesem Anlass über ihre
tägliche Feldforschung, um anderen Forschern ein Protokoll darüber an die Hand
zu geben und ihre Erinnerungen zu stützen. Sie ist 30 Jahre alt und arbeitet
bereits acht Jahre lang als Professorin in Cambridge, was als Frau zur Zeit der
Abfassung ihrer Aufzeichnungen im Winter 1909/10 bestimmt noch eine Seltenheit
war. Außerdem ist sie eine der führenden Dryadologen. Ursprünglich waren Dryads
die Geister von Eichen, inzwischen gehören zum Forschungsgebiet sämtliche
übernatürliche Wesen.
Am liebsten arbeitet Emily für sich allein, denn der Kontakt
zu anderen Menschen fällt ihr schwer, weil ihre Empathie eingeschränkt ist.
Aufgrund ihrer Feldstudien ist sie regelmäßig an abgeschiedenen Orten Europas
unterwegs. Aktuell führt ihr Weg sie nach Ljosland, das im Norden der
Festlandküste Norwegens liegt. Im pittoresken Dorf Hrafsnvik begegnen ihr die
Bewohner mit Skepsis, die Emily nicht zu beseitigen beabsichtigt. Erst als
Wendell Bambleby, ihr hochgeschätzter Kollege und gleichzeitig größter
Konkurrent um den Erhalt von wissenschaftlichen Meriten, wenige Tag nach ihr
unerwartet im verschneiten und eisigkalten Ort eintrifft, wird ihr Leben
angenehmer. Sie findet ihren Berufsgenossen nicht nur sehr attraktiv, sondern
er nutzt seinen Charme auch bei den Dorfbewohnern, um von ihnen manche
Gefälligkeit zu erhalten. Schon lange hegt Emily den Verdacht, dass sein
Benehmen jenseits der menschlichen Natur sein muss.
Die Handlung startet behäbig mit der Ankunft Emilys und
ihres Hunds, der treu an ihrer Seite ist. Als Ich-Erzählerin beschreibt sie
zunächst ihre Probleme, sich an dem entlegenen Ort zurechtzufinden, was
aufgrund ihres Charakters nicht verwundert. Die Autorin hat hier ein perfektes
Setting für ihre Geschichte gefunden, denn in einer Gegend mit eisiger Atmosphäre
und unberechenbarem, ungemütlichem Wetter nutzt sie eine kleine
Dorfgemeinschaft, um Unstimmigkeiten zu stiften und den Lesenden darauf hoffen
zu lassen, dass die Protagonisten Frieden herstellen können.
Emily bemüht sich in ihrem Bericht um einen akademischen Tonfall.
Mit ergänzenden Ausführungen als Fußnoten möchte sie dem Lesenden die Welt
ihrer Forschung nahebringen. Nachdem sie ihrer ersten Fee begegnet ist, kann
sie ihre Begeisterung nicht gänzlich verbergen und auch ihre Gefühle für ihren
Kollegen, sei es Wut, Furcht oder Zuneigung sprechen zwischen den Zeilen.
Wendell vermittelt ihr die Notwendigkeit, mit den Einwohnern Kontakt zu halten,
denn manche von deren Geschichten über magische Wesen sind die beste Grundlage
für ihre Forschung. Auf diese Weise erfahren die beiden von den Sorgen, die die
Feen einigen Dörflern ihnen bereiten.
Während Wendell lässig im Umgang mit allen Geschöpfen
erscheint, nutzt Emily ihr Wissen, um die Probleme vor Ort meist unter eigenem
Einsatz zu lösen. Dabei erfuhr ich als Leserin von den unterschiedlichsten
Arten der mysteriösen Wesen und ihren gegensätzlichen Gesinnungen. Das
Ungemach, das den Bewohnern durch die Feen bereitet wird, steigert sich zum
Ende hin und verbandelt dabei das persönliche Schicksal von Wendell, was zu
einer zunehmenden Spannung führt.
Heather Fawcett konnte mich mit dem besonderen Schreibstil
ihres Cosy Fantasyromans „Emily Wildes Enzyklopädie der Feen“ bestens
unterhalten. Die Figurengestaltung war überzeugend und der Schauplatz
ungewöhnlich. Als Leserin vermittelte die Autorin mir das Gefühl, unmittelbar
von den neuesten Erkenntnissen über die übernatürlichen Wesen zu erfahren. Gerne
empfehle ich das Buch an Fantasylesende weiter. Auf die Fortsetzung freue ich
mich.