Eine kleine Erbschaft hat es der 24-jährigen Britin Cleo
ermöglicht nach New York zu ziehen, um dort Kunst zu studieren. Am Silvestertag
begegnet sie dem zwanzig Jahre älteren Frank im Aufzug, nachdem beide eine
Party vor Mitternacht verlassen haben. Während sie sich in der Stadt mühsam
über Wasser hält und noch nicht weiß, wie es für sie weitergehen soll, wenn ihr
Studienvisum in absehbarer Zeit abläuft, betätigt Frank sich erfolgreich als
Werbetexter mit eigener Agentur. Die ungleichen Charaktere sind die
titelgebenden Figuren und Protagonisten des Romans Cleopatra und Frankenstein –
als Verballhornung der Vornamen gedacht - von Coco Mellors in einer gelungenen
Übersetzung von Lisa Kögeböhn.
Bereits bei ihrem ersten Zusammentreffen springt ein Funken
bei Cleo und Frank über, den ich auch als Leserin wahrnehmen konnte. Die beiden
liefern sich zu Beginn ihrer neuen Freundschaft einen amüsanten Schlagabtausch,
bei dem sie zugibt, dass sie sich gefühlsmäßig in Liebesdingen zurückhält,
vermutlich um sich nicht zu binden und bald nicht nur das Land, sondern auch
jemand Geliebtes zurückzulassen. Auch später war es für mich als Lesende nicht immer
einfach, Cleos Gefühle nachzuvollziehen.
Die Protagonistin versteht es, sich mit wenigen Mitteln passend
und auffallend zu kleiden, jedoch zurückhaltend aufzutreten. Aufgrund ihrer
Heirat mit Frank nach nur einem halben Jahr Beziehung erhält sie eine Greencard.
Sie genießt es, sich ganz ihrer Kunst hingeben zu können, Beziehungen sind für
sie nachrangig. Cleo und Frank haben schwachen Seiten, respektieren aber
einander. Jedoch beginnt Cleo an ihrer Liebe zu zweifeln, als Frank immer wieder
über die Strenge schlägt, obwohl beide sich gerne einem ausschweifenden
Lebensstil hingeben.
Coco Mellors erzählt in der zeitlichen Abfolge der
Ereignisse über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren hinweg. In den Kapiteln
stellt sie jeweils eine andere Person in den Fokus, einerseits Verwandte,
andererseits auch Freunde, was die Geschichte abwechslungsreich gestaltet. Beispielsweise
gerät Quentin, der seit langer Zeit Cleos bester Freund ist, in die Gefahr,
sich mit mehr als einem Joint zu berauschen. Einige Kapitel gehören dem Koch
Santiago mit dem beide Protagonisten befreundet sind und der noch nach Jahren
seiner verstorbenen Frau nachtrauert. Auch Franks deutlich jünger Halbschwester
Zoe steht hin und wieder im Mittelpunkt, vor allem wenn sie erneut Mittel für
ihren Lebensunterhalt benötigt, den er größtenteils bezahlt.
Die Kapitel werden aus einer auktorialen Erzählperspektive
heraus geschildert. Eine Ausnahme macht die Autorin bei Eleanor, der neuen
Angestellten im Büro von Frank. In einer Art Flash Fiktion erzählt sie in der
Ich-Form. In schneller Abfolge der geschilderten Szenen entstand bei mir beim
Lesen ihr Leben, aus dem sie viele Details preisgibt.
Ich mochte den abwechslungsreich gestalteten Schreibstil
gern und verfolgte gespannt die Entwicklung jeden Charakters über die Zeit
hinweg. Coco Mellors schildert Liebe in vielen Variationen und lässt ihre
Figuren dabei emotionale Höhen und Tiefen überwinden, die deren Handeln meist nachvollziehbar
machen. Die Autorin verschweigt nicht
die Schattenseiten, die ein Leben mit Rauschmitteln verschiedener Art nach sich
zieht. Ich fragte mich beim Lesen, wie viel von dem Geschilderten sie selbst
erlebt hat.
Im Buch „Cleopatra und Frankenstein“ lässt Coco Mellors die Lesenden hinter die
Fassade einer Gesellschaftsschicht New Yorks schauen, die sich gerne selbst
verwöhnt. Die Geschichte ist dialoglastig, wodurch genauso traurig stimmende, berührende
wie auch humorvolle Szenen kreiert werden, die die Figuren mit all ihren Facetten offenbaren. Ein ergreifender Debütroman, voller Liebe und Verlangen, den ich gerne weiterempfehle.